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Angela Merkel: Vom scheuen Mädchen zur mächtigsten Frau der Welt

24. September 2017, 17:58 Uhr
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Bildergalerie Angela Merkel - Die mächtigste Frau der Welt
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BERLIN. Für viele ist die deutsche Kanzlerin die letzte Hoffnung der freien Welt. Aber wer steckt hinter der Politikerin Angela Merkel?

Angela Merkel zieht die Augenbrauen zusammen, legt die Stirn in Falten, deutet so etwas an wie ein spöttisches Lächeln und schüttelt kurz den Kopf. Damit hat sie alles gesagt. Sie muss nicht mehr auf den bemühten Witz des neuen US-Präsidenten Donald Trump eingehen, er und sie hätten gemeinsam, dass Barack Obama beide habe abhören lassen. Trumps Kritiker jubeln.

Für viele ist die deutsche Kanzlerin die letzte Hoffnung der freien Welt. An diesem 17. März, ihrem Antrittsbesuch beim neuen Mann im Weißen Haus, hat sie ihrem Ruf alle Ehre gemacht. Ohne Worte, nur mit Mimik.

Die Liste ihrer Titel ist lang: Kohls Mädchen, die Unterschätzte, die Wankelmütige, Klimakanzlerin, Sphinx, Flüchtlingskanzlerin, Wahlkampfmaschine, mächtigste Frau der Welt. Was stimmt? Vielleicht alles - oder ein bisschen oder jeweils zu seiner Zeit.

Angela Merkel, Pfarrerstochter aus der DDR, promovierte Physikerin, hochbegabt und lange scheu, kaperte nach dem Mauerfall als Quereinsteigerin zuerst die von Männern dominierte CDU. Später eroberte sie als Kanzlerin die Bundesrepublik Deutschland. Mit Ausdauer und Beharrlichkeit, Anpassungsfähigkeit und Härte, Zurückhaltung und Mut.

Seit zwölf Jahren ist sie an der Macht. Dort könnte die 63-Jährige mit einem Wahlsieg am 24. September weitere vier Jahre bleiben. Für viele ist sie ein Faszinosum. Was bewegt ihr Innerstes? Wie hat das Amt sie verändert?

Christina Schwarzer, CDU-Bundestagsabgeordnete, hat ihre erste Wahlperiode hinter sich. Sie erinnert sich gut an einen Rat, den Merkel den Neulingen vor vier Jahren gegeben habe: "Vergessen Sie nie, wo Sie herkommen, und bleiben Sie immer authentisch."

Merkel kommt eigentlich aus dem Westen, geboren 1954 in Hamburg. Aber aufgewachsen ist sie in Templin, im Osten, im autoritären Regime der DDR, das 1989/90 zusammenbrach. Distanz und Misstrauen haben die Politikerin geprägt - und sind bis heute bei ihr zu spüren.

Erika Benn, 79 und Merkels einstige Russischlehrerin, will eigentlich nichts mehr erzählen. Sie habe Journalisten schon alles gesagt über ihre Ausnahmeschülerin Angela, deren Mutter wie sie weiter in Templin lebt. Dann sprudelt es doch aus ihr heraus: "Wie habe ich sie wahrgenommen? Als Schülerin, die wollte und konnte, die fleißig war (...). Angela hat getan, was man ihr gesagt hat. Sie hat auch nie widersprochen", sagt sie. "DieMitschüler haben sie geachtet, weil sie alles wusste und konnte." Sie habe über den anderen gestanden.

Heute hält sich Merkel immer noch lange mit Entscheidungen zurück. Sie beobachtet ihr Umfeld erst genau und schreitet dann zur Tat. Ganz authentisch.

Benn sagt, sie habe Merkel introvertiert in Erinnerung. Sie habe oft nur nach unten geschaut und selten gelächelt. Für die Russisch-Olympiade, dieMerkel gewann, habe sie ihr geraten, freundlich zu gucken, weil sich das bei Auftritten so gehöre. Das ist bald 50 Jahre her. Beim TV-Duell mit SPD-Herausforderer Martin Schulz habe sie das auch gemacht, bemerkt Benn zufrieden. Alte Schule eben.

Scheu ist Merkel heute nicht mehr. Aber Situationen wie das TV-Duell bereiten ihr trotzdem spürbar Unbehagen. Wie früher vor Prüfungen studiert sie akribisch Unterlagen und geht maximal vorbereitet in Auseinandersetzungen. So las sie vor ihrem Washington-Besuch im März sogar ein "Playboy"-Interview mit Trump von 1990. Den Rest überlässt sie ihrem Instinkt. Heraus kam eine souverän wirkende Machtpolitikerin.

CDU-Frau Schwarzer bewundert Merkel dafür, dass sie stets die Fassung bewahre. "Sie ist nie laut und vergreift sich nicht im Ton. Ich weiß nicht, wie sie das macht, vielleicht zählt sie nachts Schäfchen."

Merkel selbst gibt schon seit Jahren nicht mehr gerne preis, was sie bewegt. 1991 charakterisierte sie sich noch offenherzig. Sie war gerade Frauen- und Jugendministerin im Kabinett von Helmut Kohl geworden. Der Fotografin Herlinde Koelbl sagte sie für deren Buch "Spuren der Macht": "Ich habe eine gewisse Art von Beharrlichkeit und Durchsetzungsvermögen, obwohl ich auch nachgeben und mich mit Kompromissen abfinden kann. Außerdem habe ich einigermaßen gute Nerven und kann den Kräfteverschleiß bei einer so abrupten Karriere in Grenzen halten, obwohl ich längst noch nicht so hartgesotten bin, wie man das in der Politik wahrscheinlich auf Dauer sein muss."

Die 63-Jährige ist sich in vielem treu geblieben. Aber mit zunehmender Macht kamen auch Veränderungen. Heute ist sie so hartgesotten, wie sie es damals nur bei anderen erlebte. Männer, die ihr im Wege standen, hat sie bekämpft oder auf andere Gleise gesetzt. Friedrich Merz, Roland Koch, Christian Wulff.

Auf internationaler Bühne bietet sie schwierigsten Kalibern wie Wladimir Putin und Recep Tayyip Erdogan die Stirn. Und zeigt sich dann auch immer wieder kompromissbereit.

Sie selbst sagt, dass sie sich als Kanzlerin mit all den Herausforderungen auch wandeln müsse. Kehrtwende in der Atompolitik, bei der Wehrpflicht, Ehe für alle und auch in der Flüchtlingspolitik. Der Willkommenskultur folgte die Asylrechtsverschärfung.

"Sie kennen mich", hatte Merkel im vorigen Wahlkampf den Bürgern versichert. "Das gilt jetzt, vier Jahre später, noch viel mehr. Die Menschen setzen auf ihre unprätentiöse, ruhige und verlässliche Art", sagt CDU-Präsidiumsmitglied Jens Spahn (37).

Aber stimmt es denn, dass die Bürger Merkel kennen? Politisch vielleicht. Wenngleich Merkels anfangs so offenherzige Flüchtlingspolitik viele überrascht hat. Ihr Privatleben, was sie denkt und fühlt, kennen weiter nur wenige.

Es ist bekannt, dass sie in der Uckermark in Hohenwalde bei Templin ein Wochenendhäuschen hat. Dass sie nie ganz fortging, wird ihr in der Nachbarschaft hoch angerechnet. In Berlin wohnen Merkel und ihr Mann, der öffentlichkeitsscheue Quantenchemiker Joachim Sauer, zur Miete.

Ein Taxifahrer erzählt, dass Merkels Mutter, Herlind Kasner, öfter in Hohenwalde zu Besuch sei. Merkel lasse die 89-Jährige nicht von den Sicherheitsbeamten wieder nach Hause bringen, sondern rufe ein Taxi. Dann begleite sie in Jogginghose und Pulli ihre Mutter zum Auto und schüttle dem Fahrer die Hand.

SPD-Chef Schulz hat die Kanzlerin jüngst als abgehoben und arrogant beschrieben. Gregor Gysi, Ikone der Linkspartei und wie Merkel aus der DDR, sagt dazu: "Schulz hat alles falsch gemacht. Wenn sie eines nicht ist, dann arrogant und abgehoben. Für eine Kanzlerin ist sie außergewöhnlich uneitel. Materielles interessiert sie nicht."

Politisch jedoch habe sie weder eine Vision für Europa noch für Deutschland. "Deshalb verwaltet sie das Land nur. Und man kann auch nicht sagen, dass ihr Herz für den Osten schlägt. Das sieht man an der Rentenproblematik. Die Angleichung wurde auf 2025 verschoben." Findet Gysi etwas gut an Merkel? "Ihr zufälliges Lächeln. Das hat etwas Bestechendes." Und, dass sie von CDU-Männern lange unterschätzt wurde. Am Ende habe Merkel sie alle nach Hause geschickt.

Merkel war es, die als CDU-Generalsekretärin die Partei in der Spendenaffäre von ihrem Übervater Kohl emanzipierte. Als sie dann 2000 zur Parteichefin aufstieg, hatte kaum einer damit gerechnet, dass sie später auch das Kanzleramt erobern würde. Und wie Kohl 16 Jahre an der Macht bleiben könnte. Die damals unscheinbare Ost-Frau galt als gute Übergangslösung an der CDU-Spitze. Eben bis die Parteispendenaffäre überwunden sein würde. Weit gefehlt.

So wie es auch in anderer Hinsicht schwer fällt, Merkel klar einzuordnen. Die Öffentlichkeit erlebt die Kanzlerin meist als beherrscht. Ihr Markenzeichen sind die zu einer Raute vor dem Bauch geformten Hände. So nimmt sie Haltung an. Politik betreibt sie gern per SMS. Im kleinen Kreis jedoch gilt sie als locker und witzig.

Manch einer empfindet sie aber auch als schwierig. Sie grüße oft nicht. Was allerdings an ihrer Kurzsichtigkeit liegen könnte beziehungsweise daran, dass sie keine Brille aufsetzt. Außer bei der Neujahrsansprache oder Länderspielen der Fußballnationalmannschaft.

Vor einem Jahr dann schien etwas zu kippen. Da ging Merkel vielen in der Partei auf den Geist. "Es war eine Phase der Bunker-Mentalität", erzählt einer. Sie habe sich im Kanzleramt abgeschottet. Es sei die Angst umgegangen, dass Merkel die falsche Person für den nächsten Wahlkampf sein könnte. Aber die Kanzlerin verkündete im November ihre vierte Kandidatur und schloss die Reihen.

Der Frust jedoch hält sich bei einigen hartnäckig. Auch wenn sie ihre Namen in diesem Zusammenhang nicht lesen wollen. Die CDU-Chefin habe in den zwölf Jahren ihrer Kanzlerschaft recht blutleer Politik gemacht. Immer den Weg der Mitte gesucht. Dennoch sei ihr Erfolg nicht zu übersehen. Aber mit echter Politik habe das wenig zu tun.

Und wie geht es weiter, wenn Merkel die Wahl noch einmal gewinnt? Bleibt sie die vollen vier Jahre, wie sie versichert? Ein CDU-Regierungsmitglied sagt: "In der Regel wird man abgewählt. Dass man strahlend ausscheidet, ist selten." Der Aufbau eines Nachfolgers sei in der Politik nicht einfach, sagt jemand anderes. Merkel selbst habe keine Angst vor dem Leben danach.

Erika Benn ist auf dem Sprung. Morgen fährt sie nach Polen. "Und wenn ich wiederkomme, wird die Angela überragend die Wahl gewonnen haben. Und soll ich Ihnen was sagen: Sie ist ja noch jung. Das wird nicht ihre letzte Legislaturperiode sein. Irgendwann muss man aber wissen, wann man aufhören müsste."

 

 

 

 

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Flachmann (7.126 Kommentare)
am 25.09.2017 19:30

Schade das sie nicht ein scheues Mädchen geblieben ist.
Zur mächtigsten Frau taugt sie nicht!

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