In Wien wird Anfang Mai wieder geschossen ...

Von Wolfgang Braun   06.Mai 2015

Während in Oberösterreich der Krieg Anfang Mai offiziell noch nicht beendet war, begannen im bereits befreiten Wien wieder zarte Ansätze eines normalen Lebens – und dazu gehörte auch der Fußball. Am 6. Mai 1945 kam es zum ersten Match zweier Teams aus der damals höchsten österreichischen Leistungsstufe: Der Wiener Sportklub traf auf die Vienna. Die Vienna siegte 3:2.

Vieles ist von diesem Match nicht überliefert, denn natürlich waren die alltäglichen Sorgen noch zu gewaltig, um einem Fußballmatch große Bedeutung zu schenken. Die letzte laufende Meisterschaft unter dem Nazi-Regime war in den letzten Kriegsmonaten immer wieder unter- und schließlich abgebrochen worden.
„Befreiungs-Pokal“

Statt einer Meisterschaft wurde in Wien ab 10. Juni ein „Befreiungs-Pokal“ ausgespielt – und diese Spiele lockten nun auch erstmals wieder viele Zuschauer auf die Fußball-Plätze. Am 1. Juli kamen 16.000 nach Hütteldorf, um sich die beiden Semifinal-Partien anzusehen: Die Vienna schlug die Wiener Austria 4:3, Rapid unterlag Helfort mit 1:5. Im Finale eine Woche später gewann die Vienna 3:1 gegen Helfort, vor 17.000 Zuschauern.
Für die Vienna, eine dominierende Kraft im heimischen Fußball während der ersten Hälfte der 40er-Jahre, war es für lange Zeit der letzte große Erfolg.

1943/44 gewannen die Blau-Gelben aus dem Wiener Bezirk Döbling die Meisterschaft in der damaligen Ostmark, auch in der gesamtdeutschen Meisterschaft waren sie eine Fixgröße: 1942 erreichten sie das Finale, das sie gegen Schalke 04 verloren. Ein Jahr später stießen sie ins Halbfinale vor. 1943 errang die Vienna dazu den deutschen Pokal nach einem 6:2 im Halbfinale gegen Schalke und einem Finalsieg gegen den LSV Hamburg.

Warum war die Vienna in diesen Jahren so erfolgreich? Alexander Juraske beschreibt im Buch „Fußball unterm Hakenkreuz in der Ostmark“ (2014) das Vienna-Erfolgsgeheimnis: Es war das Klubmitglied Curt Reinisch, der damals Sachbearbeiter in der Sanitätsabteilung Wien war. In dieser Funktion war Reinisch auch für die Wiener Lazarette zuständig. Das nutzte er, um Spieler vor Fronteinsätzen zu bewahren oder diese aufzuschieben.

In der ersten Meisterschaft nach dem Krieg, die im September 1945 begann, war dieser Vorteil nicht mehr gegeben. Die Vienna belegte Platz fünf, Meister wurde Rapid. Heute spielt der „First Vienna Football Club 1894“, Österreichs ältester Fußballklub, in der Regionalliga Ost.

Nur rund drei Monate nach Kriegsende bestritt Österreichs Fußball-Nationalteam auch wieder ein erstes Ländermatch: Am 19. August unterlag man in Budapest Ungarn mit 0:2. Am 6. Dezember 1945 kam es dann zum ersten Länderspiel in Wien: Frankreich wurde 4:1 besiegt.

 

Das geschah am 6. Mai 1945

Wien: Im Wiener Stadttheater tritt erstmals das Rotarmisten-Ensemble der 3. Ukrainischen Front vor österreichischem Publikum auf. Auf dem Programm stehen „sowjetische Volkslieder und
österreichische Weisen“.

Berchtesgaden: Reichsmarschall Hermann Göring versucht vergeblich, von Berchtesgaden aus mit dem Oberbefehlshaber der alliierten Streitkräfte in Europa, General Dwight D. Eisenhower, Kapitulationsverhandlungen aufzunehmen. Am selben Tag wird der Reichsführer SS Heinrich Himmler vom neuen Reichspräsidenten, Großadmiral Karl Dönitz, aus all seinen Ämtern entlassen.

Breslau: Die letzten deutschen Truppen der zur Festung erklärten schlesischen Stadt Breslau kapitulieren vor Einheiten der Roten Armee.