
Als in Linz die Legende vom "guten Nazi" Franz Langoth entstand
Als am 5. Mai 1945 Einheiten der dritten US-Armee mit Jeeps und Panzern am Linzer Hauptplatz einfuhren und von den Passanten freundlich empfangen wurden, machte sich nach Jahren der Angst, des Mangels und der Bombardements Erleichterung breit.
Damals/ Vor 100 Jahren
OÖNachrichten-Redakteur Josef Achleitner lässt in dieser Serie die Geschichte aus dem Blickwinkel der OÖNachrichten Revue passieren.
Josef Achleitner, Politikressort
Schnell wurde damals ein Gerücht gestreut, das über Jahrzehnte zur Legende wurde. Der Linzer Oberbürgermeister Franz Langoth (seit Ende ‘44), so wurde erzählt, habe mit seiner Initiative die kampflose Übergabe der Stadt erreicht und vielen Bewohnern das Leben gerettet.
Das war, wie der Chef des Linzer Stadtarchivs, der Historiker Walter Schuster, erforscht hat, nicht so. Nachträgliche Eintragungen in den Notizen von Langoths Sekretär sollten den Eindruck einer Rettung erwecken – und taten das auch erfolgreich für den Nationalsozialisten.
Langoth war ob seiner väterlichen Art – er war zu Kriegsende schon 68 – und seiner angenehmen Umgangsformen beliebt. Und er hatte sich in Kriegszeiten für seinen späteren Nachfolger, den langjährigen sozialdemokratischen Bürgermeister Ernst Koref, eingesetzt, als dieser im Konzentrationslager Dachau interniert werden sollte. Die US-Besatzer verhafteten den NS-Amtsinhaber vorerst dennoch und brachten ihn nach Glasenbach in der Stadt Salzburg, wo ein Großteil der österreichischen NS-Funktionäre festgehalten wurde.
Zwei Jahre später kam Langoth frei, und es wurde trotz seiner hohen Funktionen im NS-Regime nie Anklage gegen ihn erhoben. Für heutige Historiker wie Walter Schuster ist das nur mit Langoths aus langjährigem Politikerleben rührenden Verbindungen und der Haltung der demokratischen Nachfolger zu verstehen: „Selbst integre Männer wie Ernst Koref wollten sich als NS-Täter eher SA-Schläger und KZ-Bewacher als den Bildungsbürger vom Typus des Franz Langoth vorstellen.“ Der Hauptschullehrer, langjährige Landesobmann der Großdeutschen Volkspartei und Landtagsabgeordnete war schon fünf Jahre vor dem Anschluss an Deutschland Verbindungsmann zur illegalen NSDAP und hatte über ein Hilfswerk, geduldet von der autoritären Regierung Kurt Schuschniggs, illegale Nazis in Österreich unterstützt. Mit dem Anschluss wurde Langoth SS-Oberführer (am Schluss Brigadeführer), leitete die Nationalsozialistische Volkswohlfahrt (NSV) und saß bis zum Ende des Regimes im Reichstag in Berlin. Von 1940 bis 1944 war er Richter beim Volksgerichtshof und fällte in 51 Verfahren 118 Schuldsprüche, in 41 Fällen waren das Todesurteile. Ein Fall war jener der Linzer Ordensschwester Camilla Estermann, die Zwangsarbeitern Lebensmittel und Kleider geschenkt hatte.
Bis Mitte der 1980er Jahre wirkte die Legende vom „guten Nazi“, unter Bürgermeister Franz Hillinger wurde sogar eine Straße nach ihm benannt. Dann begannen Forschungsergebnisse das Bild zu revidieren, und seither hat Linz wieder eine Kaisergasse.
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