Wettkampf in Windeln: Mein Kind kann …

Von Julia Evers   07.November 2012

Was danach folgt, ist variabel: robben, durchschlafen, krabbeln … Das alles natürlich ein wenig früher, als es in den Büchern steht, früher, als die Nachbarskinder das können und früher, als das eigene Kind das eigentlich vermag.

Zwei Schritte werden so schnell zu dem Satz „Sie geht schon ohne Probleme frei“ und eine einzige Nachtruhe von zwölf bis fünf Uhr morgens zu einem seit Monaten friedlich durchschlafenden Kind.

Damit produziert man Neid bei den Müttern, die mit Augenringen daneben sitzen, Unsicherheit bei denjenigen, deren Nachwuchs sich mit einem halben Jahr noch nicht fortbewegt. Selbst Zahnen gilt in Elternkreisen als Auszeichnung. Der Tonfall, in dem Mütter „Er hat schon sieben Zähne“ sagen, passt später auch zur ersten Olympia-Medaille des Nachwuchses. Ein Frühentwickler muss man also sein in dieser Baby-Leistungsgesellschaft, für Spätzünder hat das Umfeld nur Bedauern über: „Was? Sie geht noch gar nicht? Aber sie ist doch schon 14 Monate?!?“ Und der ausdrucksstark-mitleidige Blick hinterher macht schnell klar, dass auch in diesem jungen Leben der Zug schon abgefahren ist für … Ja, für was eigentlich?

Dem vielzitierten Spruch „Mit 18 gehen und reden sie alle“ ist sein Wahrheitsgehalt nicht abzusprechen, auch die Feinmotorik macht Maturanten – so sie denn nüchtern sind – selten Probleme. In einer Volksschulklasse sind die Streber nicht die, die zwei Monate früher die Drehung vom Rücken auf den Bauch schafften, als Erwachsener fällt diese Entwicklung recht nicht mehr ins Gewicht. Die Verfasserin dieser Zeilen hat sich zum Beispiel sagen lassen, sie sei mit neun Monaten schon gelaufen. Wegweisend für mein Leben, sicher.

Wahrscheinlich haben all die vielen, die mich jetzt auf diversen Fitness-Strecken beim Joggen überholen, ja auch bloß etwas aufzuholen.

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