Weltfrauentag: Eine halbe Sache?
Zwischen dem Tag der gesunden Ernährung am 7. März und dem Tag des Schlupflids am 9. März behauptet sich seit Jahrzehnten der Internationale Frauentag. Sein Schicksal ist erbarmungswürdig. Zwischen Abfeiern und Ablehnen muss er so tun, als wären Frauen eine Minderheit und als sei mit ein bisschen kreideweichen Halbversprechen die Geschlechterwelt in Ordnung zu bringen. Was fehlt dem Tag zum vollen Glück?
D ie Frauen, das wusste schon das Märchen vom Fischer und seiner Frau, sind unersättlich. Bekommen nie genug. Zuerst lässt man sie was lernen, dann gibt man ihnen das Wahlrecht und stellt sie obendrein in den Familien dem Oberhaupte gleich, und was ist der Dank? Sie wollen noch mehr. Quoten für die Führungsebenen, bessere Bezahlung in den typischen Frauenberufen, Männer, die in Karenz gehen, und so weiter und so fort. Was sollen wir ihnen denn noch alles ermöglichen? Dieser gern gepflegten Denkfigur liegt ein Missverständnis zu Grunde. Und das heißt: Mann erlaubt und Mann gibt. Mitnichten. Gleich an Würde wurden sie geboren, gleich an Rechten sind sie zu stellen. Nein, nicht Bibel, sondern UN-Menschenrechtskonvention. Diese Haltung hat sich noch nicht in allen Köpfen festgesetzt. Mann stellt Besitzansprüche und hütet Vorrechte. Diese sind in Statistiken über Verdienstunterschiede und häusliche Gewalt nachzulesen, sie manifestieren sich im Zutritt zu exklusiven Clubs und darin, dass die „Verhaberung“ gleichgeschlechtlich bedeutend einfacher funktioniert. Je mehr die Frauen wollen, desto aggressiver wird der Ton. Emanze, Quotenfrau und Feministin sind wohlfeile Schimpfwörter. Frauen hätten sich einen Opferstatus geschaffen, der sie nun unantastbar mache, heißt es. Und wer sagt denn, bitte, dass sie wirklich die besseren Menschen sind?
Der 8. März reizt die Gemüter. Den einen macht er ein schlechtes Gewissen, das sie nicht haben wollen, den anderen geht er irgendwo vorbei, denn „ich brauche das nicht.“ Seien wir doch ehrlich, viele langweilt der 8. März. Gähnen! Nicht schon wieder. Nehmen wir das einmal ernst. Tatsächlich sieht es so aus, als ob Frauen in unserer europäisch-westlichen Welt die Gleichstellung erreicht hätten. Es sind nur mehr wenige Punkte offen. Und die nicht in erster Linie auf Seiten der Frauen, sondern der Männer. Warum, zum Beispiel, reden wir in unserer Kultur noch immer nicht von berufstätigen Vätern, sondern nur von berufstätigen Müttern? An der gemeinsamen Versorgung des Nachwuchses scheiden sich die Lebenswege von Männern und Frauen nach wie vor am deutlichsten. Die Gleichstellung ist nur sehr begrenzt ein Thema, das zwischen einem Paar verhandelbar ist. Wie wir insgesamt leben, lieben, arbeiten, prägt unsere Welt. Wenn sich fast alles der Erwerbstätigkeit unterordnet, kommt weder eine kinderfreundliche Gesellschaft zustande – Kinder müssen dann hauptsächlich versorgt und als kommende Arbeitskräfte effizient ausgebildet werden – noch eine menschenfreundliche. Der totale Zugriff der Nützlichkeit auf den Menschen macht auch Männer mürbe. Verständlich, dass viele, die nicht zu den Gewinnern des derzeitigen Systems zählen, die einseitige Argumentation in Richtung mehr Rücksicht auf Frauen stört.
Will man den Dimensionen des Internationalen Frauentages gerecht werden, muss man aber jedenfalls das Wort „international“ ernst nehmen. Denn dort liegen die wich- tigsten und spannendsten Entwicklungen der Gegenwart. Auch in Frauenfragen. In den vergangenen Monaten haben wir erlebt, dass in Indien das Thema Gewalt gegen Frauen endlich größer diskutiert wurde. Das dürfte erst der Anfang sein. Die massenweise Vergewaltigung von Frauen ist die Spitze eines Eisbergs. Darunter gibt es Themen wie die Abtreibung weiblicher Föten, weil die Eltern nicht später für ihre Töchterbräute zahlen wollen. Die Verbrennung von Witwen, die Säureattentate auf geächtete Frauen, das alles darf uns am Internationalen Frauentag nicht egal sein. Im arabischen Raum ist mit hoher Wahrscheinlichkeit die nächste Revolution die der Frauen. Im Gefolge der gesellschaftlichen Veränderungen werden sie sich nicht mehr hinter Schleiern verstecken und von religiösen Gesetzen kleinmachen lassen. Ungelöst ist die Frauenfrage auch in China. Dort fehlen Schätzungen zufolge mehrere Millionen Frauen. Die Ein-Kind-Politik und die Bevorzugung von Buben hat das Reich der Mitte in eine demografische Bredouille geführt. Der organisierte Brautraub wird in China zunehmend zum Problem. Die politische Sprengkraft einer unbeweibten Generation junger Männer ist nicht zu unterschätzen.
Ist der Frauentag eine halbe Sache? Ja, wenn man meint, mit einem ritualisierten Gedenktag sei auch nur irgendetwas erreicht. Ja, wenn man der irrigen Ansicht ist, man könne über Frauen diskutieren, ohne auch über Männer zu reden. Ja, wenn wir unseren Horizont nur vom Bodensee bis zum Gänsehäufel abstecken. Natürlich gibt es die Frauen als homogene Gruppe nicht, wie auch die der Männer sehr differenziert zu sehen ist. Natürlich sind Frauen nicht die besseren Menschen, wer wollte denn so etwas verlangen, das bislang nicht einmal die Männer geschafft haben. Aber worum es dennoch geht, auch am 8. März, ist die Frage wie wir gut und wie wir besser miteinander leben können. Männer und Frauen, Kinder, Tiere, Schöpfung. Mit den alten Herrschaftsmodellen sind unsere Möglichkeiten begrenzt. Sie sind die Hälfte, die wir kennen. Die andere ist noch Neuland. Davon reden wir, unter anderem am 8. März.
Dr. Christine Haiden ist Chefredakteurin der Zeitschrift „Welt der Frau“ und schreibt die wöchentliche OÖN-Kolumne „Haiden am Donnerstag“.
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von Frau Haiden, der sehr viele Themen rund um die Frau-Mann-Thematik erhellend behandelt. Respekt!
Kleine Ergänzung von einem Mann: Es sind nicht nur die Männer, die ihre "Vorrechte" und "Privilegien" zementieren und verteidigen, die Frauen machen das genau so.
Nehmen wir als Beispiel das frühere Pensionsantrittsanlter und die Wehrpflicht. Für beide Privilegien finden viele Frauen viele "gute Gründe".
Aber es muss gelten: Gleiche Rechte UND gleiche Pflichten!
soviele plus kann ich gar nicht vergeben.......
versuch es trotzdem.......
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