Sechs Kommunikationsfehler der Schule

Von Peter Filzmaier   25.Februar 2015

Alle reden über Schule. Doch irgendetwas läuft schief. Sehr sogar. Momentan sind es Ängste und Hoppalas bei der Zentralmatura, die Zweifel am österreichischen Schulwesen schüren. In Wahrheit ist die Geschichte länger: PISA-Studie & Co. als Endlosdebatte, was alles schlecht sei, lassen grüßen. Weil wir in einer Mediendemokratie Probleme personalisieren, wird in der Öffentlichkeit seit Jahrzehnten die jeweilige Unterrichtsministerin als Dolm dargestellt.
Dieses ungerechte Schicksal erlitten gleichermaßen Elisabeth Gehrer, Claudia Schmied und Gabriele Heinisch-Hosek.
Erstere wurde als „Strickliesl“ verunglimpft, die Letztgenannte im Internet mit widerlichsten Beschimpfungen unter der Gürtellinie und Morddrohungen konfrontiert.
Wer nicht die Erregung als solche erregend findet, sollte deshalb schulpolitische Themen besonders ruhig und sachlich diskutieren. Viel wäre erreicht, wenn alle Beteiligten banale Kommunikationsfehler und politisch-mediale Fallen vermeiden.

1. Das Spiel mit Emotionen

Österreich hat 1,142.726 Schüler. Diese haben naturgemäß rund 2,3 Millionen Eltern. Hinzu kommt das Doppelte an Omas und Opas, die sich um die Zukunft ihrer Enkelkinder sorgen.
Wer kinderlos ist, war einmal in der Schule und weiß sowieso alles besser. Rund 70 Prozent der Österreicher bezeichneten Bildungs- und Schulpolitik als von ihnen diskutiertes Thema.
Weil Millionen betroffen sind, geraten Parteien und Medien in Versuchung: Es ist verlockend, schulische Themen in Wählerstimmen und Reichweiten oder Quoten umzurechnen, und sie entsprechend populistisch aufzubereiten.

2. Schlechte statt gute Nachrichten

Am Ende eines Schuljahres wird daher meistens über jene gesprochen, die einen „Fünfer“ haben. 95 bis 97 Prozent der Schüler, die erfolgreich waren, sind fast kein Thema. Wen wundert es, dass da das Wort „nicht genügend“ hängen bleibt?
Gerade die (Zentral-)Matura ist Teil einer sensationellen Erfolgsgeschichte. 1980 hatte in einzelnen Bundesländern fast die Hälfte der Erwachsenen lediglich die Pflichtschule besucht. Heute maturieren zwei Drittel und mehr. Statt darauf hinzuweisen wird lustvoll das misslungene Hochladen der Maturaarbeiten zelebriert, und dass es zu viele Stunden, zu wenig Geld und immer mehr Belastungen gibt.

3. Schuldzuweisungen als Volkssport

Am traurigen Höhepunkt der Bildungsstudie PISA über geringe Kenntnisse und Fähigkeiten der 15-Jährigen ging es allein darum, wer schuld ist. Je nach Standpunkt Schuld hatten SPÖ, ÖVP und FPÖ. Oder die Schüler, Lehrer beziehungsweise Eltern. Die Ewiggestrigen und die Jugend von heute auch. Alles und jeder bis hin zu Gameboy und ORF-Sportreportern waren schuldig. Am Niveau, jenseits von Lösungsideen vorzugweise Schuldige zu finden, hat sich wenig geändert.
So entsteht kein Gesprächsklima, in dem aus Fehlern gelernt und Veränderung in die Wege geleitet wird. Alle sind gezwungen, den populären Sport der Schuldzuweisung mitzumachen. Sowohl für Politiker als auch für Lehrer ist das Risiko groß, ansonsten in den Medien als für alles Verantwortlicher übrig zu bleiben.

4. Ideologiestreit und verkrustete Strukturen

Nicht unterschätzen darf man zwei weitere Gründe, Standpunkte einzubetonieren. Einerseits geht es beim Schulunterricht um ideologische Grundsätze. Gesamtschule oder nicht, das ist für SPÖ und ÖVP eine Weltanschauung. Dasselbe gilt, ob die Beseitigung von ungleichen Bildungschancen (SPÖ) oder die Leistungsförderung und -motivation (ÖVP) im Mittelpunkt steht. Jedwedes Einlenken wird als Abkehr von der Gesinnungsgemeinschaft interpretiert. Folgerichtig sind die Kompromisschancen gering.
Reformen lösen zudem Sorgen aus, danach schlechter gestellt zu sein als vorher. Das verfestigt bestehende Strukturen, sowie vereint Lehrer und Eltern. Die einen wollen dienstrechtlich keine Nachteile, die anderen nicht Experimente auf dem Rücken der Sprösslinge. Ministerinnen können nur machen, was der kleinste gemeinsame Nenner ist. Der Strukturkonservativismus überlebt alle Politiker und Parteien im Unterrichtsressort.

5. Negativität und Naivität

Lehrer – gemeint sind primär Lehrergewerkschafter – betonen außerdem zu sehr Schattenseiten ihres Berufs. Sie leiden unter Zwischenrufen von allen Seiten, sich scheinbar von Gott und der Welt verkannt fühlend. Oft zu Recht. Trotzdem ist es falsch, umgekehrt mit Weltfremdheit zu reagieren – selbst wenn Interessenvertreter für die Anliegen der Berufsgruppe kämpfen, würde mehr Verständnis nicht schaden, was wie in der breiten Öffentlichkeit ankommt.
Wer unterrichtet, leistet gute und wichtige Arbeit, ist ordentlich zu bezahlen und hat zumutbare Arbeitsbedingungen vorzufinden. Dennoch verstehen eine Verkäuferin oder ein Bauarbeiter manche Beschwerden der Lehrer nicht. Ja, es ist dumm, schul- und unterrichtsfreie Zeit oder Ferien und Urlaub gleichzusetzen. Gibt es solche Unterstellungen dennoch, schimpfen Lehrer auf „die bösen Anderen“. Ein Teil der Lehrerschaft sollte hier ihr Kommunikationsverhalten überdenken.
Die öffentliche Meinung rottet sich nicht zusammen, um Gemeinheiten gegen Lehrer auszuhecken. Man müsste einfach statt der Negativität das Schöne am Beruf und die tollen Leistungen schlauer erklären als bisher. Es ist naiv zu glauben, dass Zeitungsleser sich für die Zahl der Schreibtische im Lehrerzimmer, mühsame Verwaltungsaufgaben oder Details des Gehaltsschemas interessieren. Wehklagen darüber verhindert eine Positivkommunikation, was alles für die Schüler getan wird.

6. Verallgemeinerung statt Differenzierung

Von den 125.011 Lehrern unterrichtet übrigens die mit Abstand größte Zahl in Volksschulen, wo das Lehrerimage am besten ist. Dahinter kommen Hauptschulen, und an berufsbildenden mittleren und höheren Schulen (BMHS) – Handelsakademien, HTLs und dergleichen – sind es knapp mehr als an „Gymnasien“. Doch werden Medieninhalte und Image von Allgemeinbildenden Höheren Schulen (AHS) und AHS-Lehrern geprägt.

Damit verzichten Schulen ungewollt auf Tausende Einzelgeschichten aus ihrem Alltag, die sehr speziell, total spannend und erfreulich wären. Die Kommunikationsempfehlungen für die Schule lassen sich simpel zusammenfassen: Erzählt jeden Tag, was Gutes gemacht wird. Es gibt mehr als genug davon.
Peter Filzmaier ist Professor für Politikwissenschaft an den Universitäten Krems und Graz