Das Versagen der Kommunikation
Die Volksbefragung über Wehrpflicht oder Berufsheer wurde von Politikern mit fragwürdigen Hintergedanken veranlasst. Bürgermeister Michael Häupl eröffnete knapp vor der Wiener Wahl 2010 das Schauspiel der roten Kehrtwende weg vom Präsenzdienst, um Stimmen junger ...
Die Volksbefragung über Wehrpflicht oder Berufsheer wurde von Politikern mit fragwürdigen Hintergedanken veranlasst. Bürgermeister Michael Häupl eröffnete knapp vor der Wiener Wahl 2010 das Schauspiel der roten Kehrtwende weg vom Präsenzdienst, um Stimmen junger Männer zu keilen. Rechtzeitig vor der niederösterreichischen Landtagswahl überzeugte Erwin Pröll seine Bundeskollegen, dass ein schwarzer Kurs für Volkssoldaten ihm ältere Wähler zutreibt.
Alle Parteien waren Getriebene von Boulevardzeitungen, welche in der Hoffnung auf mehr Reichweite das Thema vorgaben. Bloß eine Minderheit der Berichte beschäftigt sich mit der Erklärung von inhaltlichen Pro- und Contra-Argumenten. Genauso geht es bei der Mehrheit politikwissenschaftlicher Analysen nur darum, wer gewinnen wird. Obwohl eine sicherheitspolitische Sachfrage zur Wahl steht, kommen Experten für Sicherheitspolitik selten zu Wort.
Wenn es ausschließlich um politische Kommunikation im engsten Sinn der Wahlwerbung geht, so ist das typisch für das Versagen von uns Kommunikatoren, thematische Zusammenhänge zu erklären. Beispiele gefällig? Die Währungspolitik vulgo Eurokrise entscheidet über aller EU-ropäer Zukunft. Jeder Bürger kann wirtschaftlich und sozial massiv betroffen sein. Doch gibt es kaum Top-Kommunikatoren, die verständlich erklären, was sich in der Finanzwelt überhaupt abspielt. Da flüchtet man sich lieber in Billigpropaganda je nach politischem Standpunkt.
Gleichfalls stellt der Generationendialog eine zentrale Herausforderung der Gesellschaft dar. Für dialogische Kommunikationsformen ist freilich keiner zuständig. Wir haben Jugend- und Altersforscher, doch wer ist öffentlich wahrnehmbar eine Symbol- und Integrationsfigur für das Miteinander unterschiedlichster Lebensjahrgänge? Jene, die sich mit der alternden Gesellschaft beschäftigen, sind Jugendlichen unbekannt. Umgekehrt haben ewig junge Erklärer der Jugend bei weniger jungen Menschen die Bedeutung eines Fahrradunfalls in China.
Ähnlich ist es jenseits des Bundesheeres beim grundsätzlichen Anliegen für mehr Direktdemokratie. Es gibt praktisch nullkommanull kommunikationsfähige Lichtgestalten. Stattdessen bringen von Hannes Androsch bis Johannes Voggenhuber allerlei Alt-Politiker ihre Erfahrungen aus dem Politstreit ein.
In Wahlkampfzeiten zählen Studien bis zu drei Viertel der Politikberichte in Medien als „horse race journalism“. Damit ist gemeint, dass mit sich überschlagender bis hysterisch kreischender Stimme im Stil eines Pferderennens rapportiert wird, wer um welche Nasenlänge im politischen Wettbewerb vorne oder hinten ist. Die Kommunikation von Inhalten wird zum Ausnahmefall.
Peter Filzmaier, Politologe, analysiert regelmäßig das politische Geschehen in den OÖNachrichten.
Es ist höchste Zeit, dass dieses kirchenähnliche Parteikorsett aus der grauen Vorzeit für die Wähler durch ein zeitgemäßes, interessenorientiertes Wahlsystem mit mehreren Stimmen ersetzt wird!