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Erinnern und Ausgraben

Von Stefanie Sourlier, 19. Mai 2016, 00:04 Uhr

Wels hat's in sich.

Vom Kaiser-Josef-Platz biege ich in die Rainerstraße, hinter der Rainerschule findet seit nunmehr zehn Monaten eine archäologische Grabung statt. Mit meinen Spaziergängen hoffe ich, auch in tiefere Schichten der Stadtgeschichte Einblick zu erhalten, was hier sehr schön bildlich veranschaulicht wird.

Ein Sportplatz wird umgegraben, eine Turnhalle soll entstehen, ein paar Scherben werden gefunden, und in der anschließenden Grabung bringen Freiwillige und Archäologen eine zweitausend Jahre alte Vergangenheit zutage.

Ende April war Tag der offenen Tür und man konnte sich die Ausgrabungen anschauen, sah die steinerne Rundung eines römischen Brunnens, mehrere Hausmauern und die Steinstützen römischer Bodenheizungen. Archäologinnen erklärten Gruppen von Leuten die Ausgrabungsstellen, während ein kleiner Junge auf einen Berg von Schutt und Erde kletterte und nebenan römisches Essen und Gewürzwein verkostet wurden.

Eine Bronzestatuette des Jupiter und eine Venusfigur wurden gefunden, eine Darstellung des Kriegsgottes Mars und ein Eber, außerdem eine Menge an Scherben, zusammensetzbar zu Geschirr, Teile von Wandbildern, ein Militärdiplom, Haarklammern und unzählige Münzen. Die von einer Klammer zusammengehaltene Pinzette sieht so perfekt aus, als wäre sie vor ein paar Jahren erst im Drogeriemarkt gekauft worden.

Später durften wir die für das Minoritenmuseum bestimmten Bronzefiguren anschauen, der Eber mit Ringelschwänzchen weist Brandspuren auf, irgendwann muss die winzige Figur ins Feuer geraten sein, ob zur Römerzeit oder später, die sehr zarte schamhafte Venus aber ist unversehrt.

Am Wochenende darauf sahen wir im Kunsthistorischen Museum Wien ähnliche Bronzefiguren aus der Römerzeit, es ist aber ungleich beeindruckender, wenn man diese an Ort und Stelle mitten in Wels sieht, wo sie nun in monatelanger Grabung ausgegraben wurden. Ohne die Kenntnis der alten Geschichte sei die jüngere Geschichte kaum zu verstehen, meint Albert Neugebauer, Inhaber eines Kleidergeschäfts und Vorsitzender des Vereins Römerweg, und betont auch die integrative Wirkung, welche die Geschichten über die Römer für migrantische Welser Schulkinder haben, die Römischen Provinzen umfassten den ganzen Mittelmeerraum, sie reichten hoch bis nach Wels oder Trier und von Italien über Kroatien, Albanien bis nach Nordafrika.

In seinem Denkbild "Erinnern und Ausgraben" vergleicht Walter Benjamin die Erinnerungsarbeit mit der Arbeit eines Archäologen. So sind die Ausgrabungen auch ein Bild für das kollektive und kulturelle Gedächtnis einer Stadt, das Erinnern aber auch das Vergessen. Nicht von ungefähr ist deshalb, dass bei Grabungen nach römischen Stätten immer wieder auch Gegenstände der jüngeren Vergangenheit gefunden werden, beispielsweise Relikte aus dem Zweiten Weltkrieg. Wels hat’s in sich, denke ich und dieser erst eher belanglose Tourismus-Slogan bekommt plötzlich eine besondere Bedeutung.

 

Die Schweizerin Stefanie Sourlier bloggt unter  welserstadtschreiberin.wordpress.com 

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