Einfach unglaublich! Der Inhalt dieser Kolumne wird Sie schockieren!

Von Martina Mara   09.August 2016

Ich wollte damit erreichen, dass Sie diese Zeilen lesen. Allerdings nicht aus einem Spontananflug perfider Ätschbätsch-Mentalität heraus, sondern um Ihnen zu zeigen, mit welchen Tricks im Internet um Ihre Aufmerksamkeit gekämpft wird. Online herrscht ja eine Ökonomie der Klicks. Mit Aufmerksamkeit meine ich ebensolche. Je mehr Menschen eine Website anklicken, desto mehr Geld gibt’s für Werbeplatzierungen. That’s it.

Um eine gewinnbringende Klickmaximierung herzustellen, haben sich diverse Verfasser von Online-Artikeln und Webvideos, darunter hochprofessionelle Anbieter wie Upworthy oder heftig.co, deshalb auf die Psychologie effektvoller Headlines spezialisiert. "Clickbait" – Klickköder – nennt man ihre Produkte, die in letzter Zeit vor allem in sozialen Medien wie Facebook oder YouTube überhandnehmen. Die Schlagzeilen lesen sich dann in etwa so: "Bevor er ins Bett ging, steckte er Knoblauch in seine Schuhe. Sie werden nicht glauben, was danach passierte" oder "Einfach großartig, wie diese Polizistin auf den Welpen im Streifenwagen reagierte. Es wird Sie zu Tränen rühren!" oder "5 Wahrheiten über Salat, die Sie Ihren Speiseplan überdenken lassen".

Das Nervige dabei ist, dass sich die Nachricht – ist sie erst mal angeklickt – häufig als weitaus unspektakulärer herausstellt, als der Titel versprach. Und trotzdem funktioniert Clickbait immer wieder und sogar dann, wenn wir uns der Manipulation bewusst sind. Wir können einfach nicht widerstehen, denn die scheinbaren Knüllermeldungen spielen mit starken menschlichen Bedürfnissen: Sie wecken unsere Neugierde. Sie enthalten oft Listen, die uns Komplexitätsreduktion versprechen. Und sie prophezeien, starke Emotionen auszulösen.

Brasilianische Forscher konnten bereits 2014 zeigen, dass diese der Schlüssel zur Popularität von Online-Nachrichten sind. Sie ließen die wahrgenommene Emotionalität von knapp 70.000 Headlines bewerten und stellten fest, dass die Überschriften mit den meisten Punkten auch jene waren, die am häufigsten angeklickt wurden. Und zwar unabhängig davon, ob die zu erwartende Emotion positiv – Freude oder Zufriedenheit etwa – oder negativ – Schock und Ekel – ausfiel.

Facebook hat nun übrigens angekündigt, verstärkt gegen Clickbait vorzugehen. Es werde bereits an einem Algorithmus gearbeitet, der die Verführer-Links automatisch erkennen und ausfiltern kann. Recht so. Aber hoffentlich werden dann nicht auch die vielen Katzenvideos ausgesiebt. Denn Katzenbabys, die halten natürlich immer, was sie versprechen.

Martina Mara ist Medienpsychologin und forscht am Ars Electronica Futurelab zu Mensch-Roboter-Beziehungen.