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Die Schrift stirbt aus

Von Martina Mara, 21. Februar 2017, 07:00 Uhr

Diesmal möchte ich eine Vision in die Runde werfen, die mich in jüngster Zeit immer wieder mal heimsucht: Ich glaube, die Schrift stirbt aus. Also nicht gleich heute oder morgen. Aber auf lange Sicht großflächig, vom kleinen a bis zum großen Z.

Ich meine damit nicht nur die Handschrift. Dieser Zug ist sowieso abgefahren, das lässt sich schon angesichts meiner höchstpersönlichen Kuliklaue nicht mehr schönreden. Früher, es muss Mitte der Neunziger gewesen sein, brachte ich im Schlaf Buchstabenkolonnen voll graziler Gleichförmigkeit aufs Papier. Heute hingegen sieht sogar meine eigene Unterschrift aus, wie den Fingern eines besoffenen Kubisten entsprungen. Persönlichkeitsanalytikern möchte ich sie jedenfalls nicht vorlegen. Digitale Signatur juchhe.

Aber, wie gesagt, es geht längst nicht nur um analoges Schreibhandwerk. Fast jeglicher niedergeschriebene Text, ob gedruckt oder getippt, auf Zellulose oder am Bildschirm, könnte über kurz oder lang überflüssig werden, denkt man die derzeitige Entwicklung weiter. Momentan mag das Internet vielleicht noch nach textuellen Niagarafällen aussehen und ja, auch die schriftbasierte Handy-Nachricht steht hoch im Kurs. Aber parallel dazu sind Vorboten des postalphabetischen Zeitalters ebenfalls bereits auszumachen: Trendsetter verschicken Tonaufnahmen statt konventioneller Kurznachrichten. Digitale Assistenten wie Alexa, Siri oder Cortana verlangen dem Nutzer keine Texteingabe mehr ab, sondern hören ihm einfach zu. Und überhaupt ist es nur noch eine Frage der Zeit, bis Audio- und Filmdateien so benutzt werden können, wie wir das heute von Schriftstücken gewohnt sind: Lesezeichen setzen, verbale Notizen anlegen, zum gewünschten Schlagwort spulen, eine Sprachsequenz zwecks Authentifizierung anhängen. Ist das alles erst einmal möglich, könnte die Schrift in vielen Bereichen ausgedient haben. Und es stellt sich sogar die Frage, ob die Alphabetisierung, wie wir sie kennen, am Ende nur eine begrenzte Epoche der Menschheitsgeschichte war.

Als Textliebhaberin der alten Schule, der Fallfehler auf Speisekarten mitunter mehr auf den Magen schlagen als deren Manifestationen am Teller, sehe ich einem potenziellen Ende der Buchstabenwelt melancholisch entgegen. Und ich möchte mich auf die populäre Regel berufen, dass kein neues Medium ein altes je zur Gänze verdrängt. Daher hoffe ich, dass es auch in 100 Jahren noch Leute geben wird, die gerne schreiben, lesen und Texte untereinander austauschen. Aber so wie bei jenen zukünftigen Autofans, die dann hinter Absperrband dem Retrotrend des Selbstlenkens frönen, wird wohl auch das Schreiben mehr liebes Hobby als alltägliche Notwendigkeit sein.

 

Martina Mara ist Medienpsychologin und forscht am Ars Electronica Futurelab zur Mensch-Roboter-Beziehung.

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2  Kommentare
2  Kommentare
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meinereiner (161 Kommentare)
am 22.02.2017 01:20

Wunderbar, daß es noch Menschen gibt, denen schreiben etwas bedeutet. Ich liebe nicht nur die Schrift als solche, sondern auch die Ausdrucksweise, den Satzaufbau, die Wortgewalt.( Allein "Wortgewalt" sagt doch alles ).
Ich bin schon etwas älter,( wüf - weit über fünfzig ), aber Zeit meines Lebens hat mir meine Fähigkeit geholfen, mich gut ausdrücken zu können. Und mir tut es geradezu körperlich weh, wenn z.B.ein Zeitungsartikel oder ein Buch in schlechtem Deutsch verfasst ist. Mit Rechtschreib- und Fallfehlern. Besonders das "daß" kommt ziemlich in die Bredouille.
Gottlob ist Rom noch nicht verloren...

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Gugelbua (31.807 Kommentare)
am 21.02.2017 11:48

zu meiner Zeit wurde das Schriftbild noch benotet seit dies weggefallen ist kann man die Klaue bei vielen nicht mehr lesen grinsen

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