Lade Inhalte...
  • NEWSLETTER
  • ABO / EPAPER
  • Lade Login-Box ...
    Anmeldung
    Bitte E-Mail-Adresse eingeben
    Bitte geben Sie Ihre E-Mail-Adresse oder Ihren nachrichten.at Benutzernamen ein.

gemerkt
merken
teilen

Mein erstes Mal

Von Gabriel Egger, 14. Februar 2017, 19:01 Uhr

Vor drei Jahren ist es passiert. Nicht unerwartet. Ich wusste, dass der Tag irgendwann kommen wird. Lange habe ich ihm entgegenfiebert, und dann war es irgendwie ganz anders, als gedacht. 24 Jahre war ich damals alt. Jung, ein echter Amateur. Zu früh für diese Art von Anstrengung? Mag sein. Aber ich werde mich immer daran erinnern. An meinen ersten Linz-Donau-Marathon.

Soll ich, oder soll ich nicht? Heute bin ich froh, dass es der Herrgott regnen lässt. Sonst würden sich die Menschen in der knalligen Laufbekleidung reihenweise nach mir umdrehen. Dann würde der junge Bub in den viel zu langen Socken seine sichtlich nervöse Mama in den rosaroten Schuhen fragen, was denn da so übel riecht. Die Tropfen, die mir über die Nase rinnen, lenken für wenige Sekunden vom beißenden Geruch der Angst ab. 

Einen Schritt vor der Linzer Tips-Arena bleibe ich stehen. Einmal noch überlegen, einmal noch Gedanken ordnen. Dann rein in das Geschehen, in die Halle, in der Sieger gemacht werden. Zur Anmeldung für den Marathon. Oder in meinem Fall zur Ummeldung.

"Was willst du genau?" Ungläubige Augen starren mich an.  "Normal geht das in die andere Richtung. Da musst du aufzahlen". Und schon verfärbt sich meine Startnummer von einem satten Rot in ein helles Grün. Meine neue Lieblingsfarbe. 628 steht darauf geschrieben. Meine neue Glückszahl.

Ich werde also in weniger als 48 Stunden den ersten Marathon meines jungen Lebens laufen. Nicht den halben, wie geplant. Ein tolles Gefühl, alles kribbelt.

Und ich bin erst am Beginn

Sonntag, sechs Uhr früh. Der Wecker klingelt. Keine christliche Zeit für einen Tag des Herrn. Meine Hand liegt noch auf der Laptop-Tastatur auf, wo sich eine Dokumentation über den Berlin-Marathon zum fünften Mal wiederholt. Gute Vorbereitung, Gabriel! Da kann nichts mehr schiefgehen.

Als ich durch die Gassen der Linzer Altstadt gehe, kommen mir noch die letzten Nachtschwärmer entgegen. "Hopp, hopp, hopp, geht scho". Dabei bin ich noch nicht einmal weggelaufen. Wer bis halb acht Uhr früh durchhält, hat zumindest Ahnung von Kondition.

Mit der Eisenbahnbrücke, Gott hab' sie selig, im Blickfeld laufe ich langsam zum Start.  Alles unter vier Stunden ist doch ein Erfolg, oder? Neben mir steht Michael. Kräftig gebaut, groß, athletisch. Und mit einem Rad ausgestattet. Meine mobile Labstelle. Er verwahrt all das, was ich nicht in mein knappes Höschen stecken will. Energiegels, Magnesium, Salz und flotte Sprüche.

Aus den Lautsprechern tönt das Marathon-Lied. "42 Kilometer stehen am Programm und ich bin erst am Beginn". Danke für die Information.

Der Countdown zum 14. Oberbank-Linz Marathon beginnt. 10.9.8.7.6.5.4.3.2.1.Startschuss. Es geht los.

 

Chronik im Kopf

Die Autobahn gehört den Läufern. Keine Vignette, dafür eine Geschwindigkeitsbegrenzung. "Nicht zu schnell starten", sage ich mir immer wieder vor. Den seltsamen Blicken meines laufenden Nachbarns zufolge offenbar laut.

05:03 zeigt die Uhr an. 5 Minuten und drei Sekunden für einen Kilometer. Das passt für den Start. Oder? Ich komme mir hilflos vor, schließlich hab' ich das ja noch nie gemacht.

Bald ist der Kopf leer. Da sind nur mehr der Asphalt, ich und Sylvester Stallone. Natürlich nur vor meinem geistigen Auge, als "Eye of the Tiger" aus den Kopfhörern dröhnt. Stallone wär ja schließlich schon im Ziel.

"Der Halbmarathon wär viel zu kurz gewesen. Das ist doch so schön", denke ich bei Kilometer 17. Zu verführerisch sind die Straßen, die sich vor und hinter mir befinden. Ich denke an die vielen Laufeinheiten, an die Vorbereitung. Ich denke an die Sieger der vergangenen Jahre. Wie schön das Gefühl doch sein muss. Zwei Stunden und sieben Minuten brauchte der Ukrainer Olexander Kusin. Chronik im Kopf. Das hilft. Das entlastet die Füße.

Ich biege in die Landstraße ein. Die Halbmarathon-Teilnehmer dürfen kerzengerade auf den Hauptplatz einlaufen. Ich fühle mich wie ein Pferd mit der Karotte vor der Nase. So knapp vor dem Ziel und doch kann ich es nicht erreichen. 

Mit einer eleganten Linkskurve verabschiede ich mich auf die Promenade. Wo sind sie hin, die klatschenden Menschen? Wo kann ich jetzt die Anfeuerungsrufe aufsaugen?  Abrupt reißt die Stimmung ab und ich laufe plötzlich alleine durch die verwinkelten Gassen der Linzer Stadt. 

 

Die fetten Jahre sind vorbei

Ich laufe am Blumauerplatz vorbei in Richtung Unionstraße. "Die fetten Jahre sind vorbei" steht da in großen Lettern. Die Werbung einer Fitnesskette trifft mich ins Herz. Nicht, weil ich sie  rührend finde. Nach knapp 23 Kilometern sind meine Kohlenhydratsspeicher tatsächlich gähnend leer.

Labstelle. Wasser, Isogetränk, Energiegel.

"Nix Wasser trinken, schneller laufen!". Der Mann in der blauen Latzhose hat das sicher gut gemeint. Bei Kilometer 25 darf ich mich endlich wieder über ein bekanntes Gesicht freuen. Michael  füttert mich mit Magnesium, Traubenzucker und Energiegel, während er sein Mountainbike geschickt an den Streckenposten vorbeimanövriert.

"Der Radweg ist aber wo anders!" "Ich weiß, ich bin aber ein Betreuer" "DU BIST SICHER KEIN BETREUER, AUF DEN RADWEG, SOFORT!"

Kollektives Gelächter und eine kleinlaute Entschuldigung. Am Bulgariplatz vorbei geht es in Richtung Wasserwald. Immer noch geht es mir gut. Wie wichtig doch die Verpflegung ist. Bei Kilometer 35 überhole ich den Pacemaker mit dem "3 Stunden 30 Minuten"- Schild. Nur noch wenige Kilometer bis ins Ziel.

 

Verdis Triumphmarsch in ein Happy End

Endlich ist die Stadt wieder in Sichtweite. Nicht mehr lange, dann hab ich es geschafft. Während ein Läufer vor mir mit schmerzverzerrtem Gesicht schreit: "Er is do, da Haumma, er hot mi!", bin ich dem Mann mit dem Hammer offenbar entkommen.

Offenbar. Denn Kilometer 38 bis 42 sind die schlimmsten. Vier verdammte Kilometer. Das darf doch nicht wahr sein. Es ist wahr. Habe ich mir beim Start noch vorgenommen auf den letzten Metern das Bühenorchester von Gisueppe Verdi's Aida in die Straßen von Linz zu transferieren, bin ich jetzt nur mehr froh die letzten Meter zu überstehen.

Die Schleife, vorbei am Atrium, ist besonders hart. Hier sind kaum Zuseher und auch das Läuferfeld ist so dezimiert, dass ich alleine laufen muss. Der MP3-Player wechselt das Lied. Elton John! "I'm still standing". Wie die Faust aufs Auge.

In der Zielgerade lasse ich mich nur noch von  den Zuschauern tragen. 3 Stunden, 25 Minuten, 33 Sekunden. Ich sacke auf eine Bank nieder, von der ich nur noch ungern aufstehen möchte. Alles tut weh. Und trotzdem strahle ich. Masochismus? Wahrscheinlich! Aber auch das schönste Gefühl der Welt. Zumindest für Sportler.

Wenn du laufen willst, lauf eine Meile. Wenn du ein neues Leben kennenlernen willst, dann lauf Marathon.

Und wir wissen es ja. Beim ersten Mal tat's noch weh. Beim zweiten Mal nicht mehr so sehr. 

 

Gabriel Egger (27) ist OÖN-Mitarbeiter, Ausdauersportler und er berichtet in den kommenden Wochen auf seinem Marathon-Blog aus dem Amateurbereich über die Vorbereitung auf den 16. Oberbank-Linz-Donau-Marathon.

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

Lädt

info Mit dem Klick auf das Icon fügen Sie das Schlagwort zu Ihren Themen hinzu.

info Mit dem Klick auf das Icon öffnen Sie Ihre "meine Themen" Seite. Sie haben von 15 Schlagworten gespeichert und müssten Schlagworte entfernen.

info Mit dem Klick auf das Icon entfernen Sie das Schlagwort aus Ihren Themen.

Fügen Sie das Thema zu Ihren Themen hinzu.

1  Kommentar
1  Kommentar
Neueste zuerst Älteste zuerst Beste Bewertung
BrainStorm (622 Kommentare)
am 14.02.2017 19:21

Super Artikel!
Der Blog wird sicher Hammer.

grinsen

lädt ...
melden
antworten
Aktuelle Meldungen