LG G3: Der Preis der Rekordjagd
Schneller, höher, weiter – dieses Prinzip kennzeichnet nicht nur den Wettbewerb der Leistungssportler, sondern auch jenen in der Technikbranche.
Zum Autor: Mein Name ist Leander Bruckbög, ich bin bei den Oberösterreichischen Nachrichten für das Technik-Ressort verantwortlich. Ich hatte bereits das Vergnügen, mit dem Blog "Wir sind schwanger" ein wenig Einblick in mein Leben zu gewähren. In meinem neuen Blog "Digital ist besser" geht es aber nicht um Nachwuchsfreuden, sondern um Themen aus der Welt der Technik. Egal ob neue Handys, selbstfahrende Autos oder online-shoppende Kühlschränke, es gibt immer spannende Neuigkeiten aus der Branche zu berichten. Das Blog-Format erlaubt es, etwas weiter in die Materie einzudringen, als es der Platz auf der Technikseite der OÖNachrichten erlauben würde. Hier werde ich versuchen, die Entwicklungen auf dem Markt nicht nur von der Warte eines Digital-Redakteurs aus zu erörtern, sondern diese auch aus der Sicht eines begeisterten, aber kritischen Konsumenten zu betrachten.
Vollkommen dicht
Im boomenden Smartphone-Segment stehen seit Jahren große Entwicklungssprünge an der Tagesordnung. Mittlerweile sind die Hersteller aber in punkto Leistung recht dicht zusammengerückt. Um sich zu unterscheiden, suchen die Firmen mit allen Mitteln nach Alleinstellungsmerkmalen, nicht immer mit Erfolg.
So geschehen etwa beim LG G3. Der koreanische Konzern hat als erster großer Hersteller ein Display mit einer Auflösung von 1440 mal 2560 Pixeln in einem Handy verbaut. Vorteil der Quad-HD-Auflösung ist die enorme Punktdichte von 538 ppi („pixel per inch“, Deutsch: Pixel pro Zoll). Dadurch erscheint der Bildschirminhalt besonders plastisch und lebensnah. Vergleicht man das G3 direkt mit einem ähnlich großen Handy mit Full-HD-Display (1080 mal 1920 Pixel), ist der Unterschied deutlich zu erkennen. Allerdings ist der Sprung nicht so offensichtlich, wie das beim Umstieg von 720p (720 mal 1280 Pixel) auf Full-HD der Fall war. Im Alltagsgebrauch macht sich die höhere Pixeldichte kaum bemerkbar. Laut einer Studie von Apple, das mit seinen "Retina-Displays" schon lange auf hohe Punktedichte setzt, kann das menschliche Auge ab einer Dichte von 300 ppi bei 30 Zentimetern Betrachtungsabstand keine einzelnen Pixel mehr erkennen. Das G3 schießt hier deutlich übers Ziel hinaus. Das wäre kein Problem, wenn die höhere Auflösung nicht auch ihre Nachteile hätte.
Nahaufnahme: Die Pixel eines Computermonitors
Die höhere Auflösung hat ihren Preis
Eine höhere Auflösung stellt naturgemäß höhere Anforderungen an den Prozessor, schließlich will das Mehr an Pixeln auch mit Bildinformationen gefüttert werden. In der Praxis dauern App-Wechsel so einen Tick länger und ab und zu gibt es sogar kleine Ruckler, wenn der eigentlich pfeilschnelle 2,5-GHz-Vierkern-Chip besonders gefordert ist. Die höhere Belastung zieht in der Folge auch die Akkuleistung nach unten. Dazu braucht ein Display mit höherer Dichte noch eine stärkere Hintergrundbeleuchtung, was sich nochmals negativ auf die Akkulaufzeit auswirkt. Aber auch die Bildqualität leidet. Trotz stärkerer Beleuchtung hat das G3 im Vergleich mit anderen Topmodellen eher schwache Helligkeits- und Kontrastwerte.
Zur Rettung der Akkulaufzeit hat LG einige Mechanismen wie die dynamische Anpassung der Bildwiederholrate und eine aggressivere Helligkeitsregelung eingebaut, um Energie zu sparen. Auch dem starken Akku (3.000 mAh) ist es geschuldet, dass bei durchschnittlicher Nutzung zwei Tage ohne Ladepause möglich sind. Mit einem Full-HD-Display wäre hier aber noch deutlich mehr drinnen gewesen.
Life's good, aber es ginge noch besser
Es ist ärgerlich, wenn der Jagd nach besseren Zahlen die eigentlich wichtigen Qualitäten geopfert werden. Eine gute Akkulaufzeit etwa ist bei Fragen nach den Wünschen der Handynutzer regelmäßig ganz vorne. Im Falle des G3 tut das besonders weh, denn LG ist ein ansonsten fantastisches Smartphone gelungen. Es hätte das mit Abstand beste Handy des Jahres sein können. Ein schweres Versäumnis auf einem Markt, wo die Topmodelle sehr nahe beisammen liegen. Merke: Höhere Zahlen auf dem Datenblatt ergeben nicht zwangsläufig ein besseres Produkt.