Die umworbene Türkei
Wie die Flüchtlingskrise zum Faustpfand des türkischen Präsidenten Erdogans gegenüber der EU wurde - und wem das gar nicht gefällt.
Nach der Zusammenkunft in Berlin mit Ministerpräsident Ahmet Davutoglu vor gut zwei Wochen folgt heute, Montag, das nächste Treffen - diesmal in Ankara. Deutschlands Kanzlerin Angela Merkel hat dieser Tage häufig Kontakt mit der türkischen Regierung sowie (in Ankara) mit Präsident RecepTayyip Erdogan.
Gesprächsstoff bieten tagesaktuell jene zehntausende Syrer, die nach ihrer Flucht aus der umkämpften Stadt Aleppo vor der türkisch-syrischen Grenze ausharren müssen.
Die Europäer appellieren zwar an die Türken, die syrischen Flüchtlinge ins Land zu lassen - hoffen aber insgesamt, dass die Türkei die massenhaften Flüchtlingsbewegung (auch aus anderen Ländern) auf ihrem Territorium bremst bzw. aufhält.
Das ist der Grund, warum die Türkei von Europa derzeit so heftig umworben wird - und dafür sind die vereinigten Europäer zu allerlei Zugeständnissen bereit.
Von einer Befreiung türkischer Staatsbürger von der Visa-Pflicht bei Reisen in die EU, die der aus der Österreich stammende EU-Erweiterungskommissar Johannes Hahn für wahrscheinlich hält (wenn die Türkei bei der Flüchtlings-Rückstellung kooperiert), über jene drei Milliarden Euro, die die EU der Türkei zur besseren Versorgung von Flüchtlingen zur Verfügung stellen will - bis hin zu jener Augen-Zu-und-Durch-Haltung, die ein Großteil der europäischen Staaten derzeit gegenüber Erdogans Politik in der Türkei an den Tag legt.
Denn die ist in weiten Teilen - vornehm ausgedrückt - nicht wirklich konform mit europäischen Vorstellungen von Demokratie und Menschenrechten. Doch während Europa die autokratischen Ansätze der neuen polnischen Regierung von Beata Szydlo - zu Recht - auf ihre Rechtsstaatlichkeit prüft und bei Ungarns Viktor Orban zumindest die Nase rümpft, tangieren deutlich heftigere Menschenrechtsverletzungen der türkischen Machthaber die offiziellen Beziehungen kaum: Weder die Kämpfe zwischen türkischen Sicherheitskräften und Kurden im Südosten des Landes - die schlimmsten seit zwei Jahrzehnten - noch die Inhaftierung kritischer Journalisten in der Türkei.
Das gefällt vielen nicht: Künstler, Wissenschafter, Journalisten - darunter die Schauspieler Benno Fürmann, Katja Riemann und Sibel Kekilli, die Regisseure Fatih Akin und Dani Levy, Journalist Günther Wallraff - haben auf Change.org eine Online-Petition an Merkel gerichtet, sie möge über die türkischen Menschenrechtsverletzungen nicht hinwegsehen. Mehr als 22.000 Personen haben bereits unterzeichnet.
Im EU-Parlament in Brüssel zu Gast war unlängst Selahattin Demirtas. Der Vorsitzende der prokurdischen Partei HDP in der Türkei und andere Diskussionsteilnehmer warnten die Abgeordneten, die an der 12. Internationalen Konferenz „Die EU, die Türkei und die Kurden“ teilnahmen, vor Blindheit gegenüber der gegenwärtigen türkischen Politik: Kurzfristig könnte die Strategie, die Flüchtlingsströme bereits in der Türkei aufzuhalten, für Europa vielleicht sogar aufgehen, so der Tenor. Mittelfristig produziere es aber nur einen weiteren Flüchtlingsstrom, wenn die EU eine weitere Eskalation der Kämpfe in der Türkei einfach so hinnehme - nämlich von Kurden aus der Türkei.
Ganz abgesehen davon, dass sich auch der Syrien-Konflikt - Hauptquelle der Flüchtlingsbewegung - ohne Einbindung syrisch-kurdischer Rebellengruppen wie der PYD wohl schwer lösen lässt. Vom Start der (inzwischen ohnehin schon wieder vertagten und angesichts der Kämpfe um Aleppo fruchtlosen) Syrien-Friedensgespräche in Genf war die PYD freilich ausgeladen worden - auf Druck der Türkei.
Davutoglu hätte gut auf ein mainzer oder kölcher carnevalwagen gepasst !
mann hätte ihn gut als Ziel nehmen können ....
um ein paar Eier loszuwerden ...