Flüchtlingskrise als Chance für den Wohnbau

Von Tobias Hagleitner   19.September 2015

Vorerst steht noch die Suche nach Notquartieren im Vordergrund. Zeltlager und andere Behelfsunterkünfte werden eingerichtet. Couragierte Personen, Organisationen und Behörden versuchen – nicht selten vergeblich – zumindest einige der vielen ungenutzten oder unternutzten Räume in öffentlicher wie privater Hand zur temporären Unterbringung der Schutzsuchenden aufzutreiben. So schwierig das sein mag, es ist nur der Anfang. Die Frage nach ansprechendem und leistbarem Wohnraum für Jene, die in Österreich bleiben, wird sich schon in Kürze stellen. An kompetenten Antworten müsste jetzt gearbeitet werden. Die aktuelle Herausforderung könnte ein Ansporn sein, ernsthafter und mutiger über günstigen Wohnbau nachzudenken als das bisher der Fall war. Es geht dabei keineswegs nur um die Flüchtlinge. Auch für die einheimische Bevölkerung fehlt vielfach das Angebot an dauerhaft leistbaren Wohnungen.

Eine Anregung aus Düsseldorf: Dort wird gerade in Zusammenarbeit mit dem Bund Deutscher Architekten (BDA) ein Pilotprojekt auf den Weg gebracht. Flüchtlinge – darunter selbstverständlich auch Handwerker und Ingenieure – werden voraussichtlich auf einem Grundstück der Stadt ein eigenes Haus errichten können. Von Betrieben vor Ort sollen „Paten“ für die einzelnen Gewerke bereit gestellt werden. Während die Planung und Bauleitung von Architekten übernommen wird, sind Bauherrschaft und Erbauerschaft in Personalunion die Flüchtlinge selbst. Sie haben dadurch Beschäftigung und erhalten zugleich Gelegenheit ihre eigene Zukunft aktiv mitzugestalten.

Das Experiment reaktiviert die Idee des gemeinschaftlich organisierten, professionell geplanten und betreuten Selbstbaus als Strategie für günstiges Wohnen, die hierzulande beinah in Vergessenheit geraten ist. Sicherlich haben nicht alle die Zeit, das Können oder die Lust, sich in einer Baugruppe zu organisieren und beim Bauen selbst Hand anzulegen. Dennoch: Es ist eine jener interessanten Ideen, die diskutiert werden müssen, wenn die Schaffung dauerhaft günstigen und dauerhaft beliebten Wohnraums künftig ein gesellschaftliches Anliegen ist.