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Die neue Rolle der EU

02. Juni 2018, 00:04 Uhr

Die Europäische Union muss knallhart und entschlossen sein und sofort auf die Strafzölle der USA reagieren. So ist es an Stammtischen zu hören oder in Internet-Foren zu lesen, seit Präsident Donald Trump seine monatelang ausgestoßenen Drohungen wahr gemacht hat.

Die EU dürfte jedoch eine sehr verhaltene Antwort geben. Sie löst erst einmal den Krisenmechanismus der Welthandelsorganisation WTO aus, so wie im Protokoll vorgesehen (Bericht im Wirtschaftsteil). Das kann ihr natürlich als Schwäche ausgelegt werden. Vielleicht hat der US-Präsident sogar damit gerechnet, dass er die Gemeinschaft der alten Welt wieder einmal in all ihrer Zerstrittenheit und Unentschlossenheit vorführen kann.

Man kann es auch so sehen: Brüssel tut Donald Trump nicht den Gefallen, mit Gegenzöllen die nächste Eskalationsrakete zu zünden, nämlich mit Importzöllen auf Autos. Trump hat sie für den Fall der Vergeltung schon angekündigt und würde damit Deutschland massiv treffen. Dass all die Mercedes- und BMW-Luxuskarossen bei den Amerikanern so beliebt sind, soll sich im Weltbild der Trumpisten als schrecklichste Fehlentwicklung eingebrannt haben. Der Präsident höchstselbst soll dem französischen Amtskollegen Emmanuel Macron beim jüngsten Besuch in Washington gesagt haben, er werde seine Handelspolitik so lange fortführen, bis keine deutsche Nobelkarosse mehr auf der Fifth Avenue in Manhattan zu sehen sein werde.

Es dürfte daher gut sein, dass in der EU derzeit jene Fraktion die Oberhand hat, die den Handelsstreit nicht zum schwer eindämmbaren Krieg ausufern lassen will. Angeführt wird sie von den Deutschen, die als Exportweltmeister natürlich am meisten zu verlieren haben. Die Franzosen hingegen haben in den vergangenen Tagen für eine scharfe Vorgangsweise geworben. Emmanuel Macron will insgesamt eine stärkere Union, unter anderem mit einem Finanzministerium in Brüssel – eine Konstellation, die die Deutschen erschaudern lässt.

Die Zahlmeister der Gemeinschaft müssen aber auch erkennen, dass sie sich bewegen müssen, denn das vereinte Europa hat seine neue Rolle im Weltgefüge auszufüllen. Donald Trump hat uns Europäern klar gemacht, dass wir künftig für unsere Verteidigung und Sicherheit selbst zu sorgen haben – und zu zahlen. Für Sicherheit und Außenschutz sind wir natürlich alle. Die Politik muss aber erst vermitteln, dass das viel Geld kosten wird.

Indes scheinen die Autokraten dieser Welt, von Erdogan bis Putin, ihren Spaß daran zu haben, wie schwerfällig der Brüsseler Apparat ist, wie kompliziert Demokratie ist in einem Gebilde mit mehr als zwei Dutzend Mitgliedsländern, ganz unterschiedlicher Prägung und Geschichte. Russen und Türken führen unterdessen ziemlich unbehelligt ihre Kriege und stecken ihre Einflusssphären ab, während in Brüssel über Reformen diskutiert wird. China investiert nicht nur in Afrika und Asien, um seine Weltführung vorzubereiten, nein, sogar im Vorzimmer Europas, am Balkan.

Der Handelsstreit mit Trump muss für die EU ein Warnruf sein, dass sie sich dringend auf allen Kontinenten Partner suchen muss, die ähnliche Interessen haben. Es gibt viele Länder, die nicht mehr am Gängelband der USA hängen und die auch nicht ins Fahrwasser der chinesischen Zentralmacht geraten wollen. Solche Handelspartner können erste Ansprechstellen in Fragen der Außenpolitik und Sicherheit sein. Es sind auch Bündnisse nötig, um technologisch an der Spitze mitzuspielen.

All das ist schwierig für ein Staatengebilde, das in der Finanz- und Schuldenkrise bei den Bürgern ein großes Vertrauensdefizit entstehen hat lassen. Das die die Menschen – trotz gegenteiliger Beteuerungen – noch immer mit pingeligen Vorschriften und einer Flut an Bürokratie ärgert. Das das Migrationsproblem nicht in den Griff kriegt und zu wenig gegen die Ungleichheit tut. Es ist immer wieder regionalen Regierungskrisen ausgesetzt, wie aktuell in Italien und Spanien.

Diese Gemeinschaft hat aber hohe Standards in der Sozial-, Gesundheits- und Umweltpolitik gesetzt. Andere beneiden uns darum. Trotz aller Unzulänglichkeiten lohnt es sich, für Europa zu kämpfen. Es gibt auch keine Alternative. Wer den Menschen in dieser komplexen Welt ein Zurück zum Nationalstaat als Erlösung verkauft, ist ein Scharlatan.

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