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Die vielen Gesichter der Zwangsarbeit

Von Roswitha Fitzinger, 07. Mai 2016, 00:04 Uhr
Bild 1 von 7
Bildergalerie Die vielen Gesichter der Zwangsarbeit
Bild: (Fundacja "Polsko-Niemieckie Poje)

Ein Kapitel der Nazi-Vergangenheit erfährt anlässlich einer internationalen Wanderausstellung besondere Beachtung: die Zwangsarbeit.

  • Ein Kapitel der Nazi-Vergangenheit erfährt anlässlich einer internationalen Wanderausstellung besondere Beachtung: die Zwangsarbeit.
  • Die Schau macht Station in Steyr, einem ehemaligen Zentrum der NS-Zwangsarbeit.

Gesichter der Zwangsarbeit

"Die ersten zwei Tage nach der Einlieferung gab es überhaupt kein Essen, dann ein kleines Stück Brot. (...) Jede noch so notwendige Entfernung von der Arbeit konnte den Tod bedeuten. Habacht-Stehen auf dem Hof musste man, bis der Häftling umfiel. Nur wenige überlebten drei oder mehrere Monate", beschreibt der gebürtige Tscheche Jan H. die Zeit in einem oberösterreichischen Umerziehungslager. Kohlen schlagen, Leitungen stemmen, Krankenzimmer putzen – und das alles, bis die Hände bluteten. Das war die Strafe der Wienerin Gertrude W. für ihre Liebensbeziehung zu einem Juden. Ewa R. aus Polen musste die Ermordung ihrer Eltern und Geschwister erleben, ehe sie nach Kärnten zu einem Bauern kam. Ihr Leben dort: Sie bekam wenig zu essen, durfte Arbeitsverletzungen nicht behandeln lassen und wurde vom Bauernsohn immer wieder vergewaltigt.

Die Zwangsarbeit im Nationalsozialismus hatte viele Gesichter, allesamt waren sie geprägt von Gewalt, Demütigung, Hunger. Mehr als 20 Millionen Menschen aus fast allen Ländern Europas mussten während des Zweiten Weltkrieges Zwangsarbeit im Deutschen Reich oder in den besetzten Gebieten leisten. Männer, Frauen und Kinder wurden überall eingesetzt – auch hierzulande. Mehr als 100.000 schufteten etwa ab 1938 in Oberösterreich – in Rüstungsbetrieben wie der Steyr Daimler-Puch AG ebenso wie in der Landwirtschaft, beim Straßen-, Eisenbahn-, Kraftwerksbau, in kleinen Betrieben oder in Privathaushalten.

Der lokale Aspekt wird nur ein Schwerpunkt sein, dem sich die am Donnerstag beginnende Ausstellung im Museum Arbeitswelt in Steyr widmen wird. Ein weiterer beschäftigt sich mit der zugrunde liegenden Systematik der Zwangsarbeit, die mehr war als eine Begleiterscheinung des Krieges, sondern von Anfang an ein zentraler Bestandteil der nationalsozialistischen Gesellschaftsordnung. Einerseits adelte Arbeit angeblich die Mitglieder der selbsternannten „Herrenrasse“, andererseits war Arbeit jedoch ein Mittel zur Entwürdigung und Ausgrenzung von Menschen, die von den Nationalsozialisten als minderwertig bezeichnet wurden.

Nach Kriegsbeginn und mit zunehmendem Arbeitskräftemangel wurden zunächst Menschen aus den besetzten Gebieten wie Polen, Frankreich, dem früheren Jugoslawien ins Deutsche Reich gebracht – anfangs noch mit Versprechungen wie „goldenen Arbeitsbedingungen“, die später jedoch Drohungen wichen: „Nur in Deutschland hast du Überlebenschancen.“ Ab 1942 wurden sowjetische Kriegsgefangene und auch KZ-Häftlinge zur Zwangsarbeit herangezogen – häufig gezielt so lange, bis diese an Erschöpfung starben. Vernichtung durch Arbeit.

Schikanen, wie hier in Polen 1938, standen an der Tagesordnung.  Bild: (Stadtarchiv Nürnberg)

Zwangsarbeiter-Hierarchie

Der Rassenwahn der Nationalsozialisten schlug sich auch in einer Rangordnung nieder. Ganz oben standen "Westarbeiter germanischer Abstammung" aus Nord- und Westeuropa. Am Ende der Stufenleiter befanden sich Polen, sowjetische Arbeitskräfte ("Ostarbeiter") und schließlich Juden, Sinti und Roma. Rigide Bestimmungen sollten enge Kontakte zwischen Deutschen und Zwangsarbeitern verhindern. Polen, "Ostarbeiter" und Juden mussten Kennzeichen an der Kleidung tragen. Sie durften sich nicht frei bewegen und waren von drakonischen Strafen bedroht.

Auch die Mütter von Katharina Brandstetter und Maria Frick blieben davon nicht verschont. Die Töchter der Zwangsarbeiterinnen werden bei der Ausstellungseröffnung Mittwochabend über ihr Schicksal und das ihrer Mütter erzählen, Maria Frick tut dies zum ersten Mal.

 

Details zur Ausstellung

Das letzte Wort haben die Zeitzeugen. Via Mediastationen erzählen 38 Betroffene am Ende der Ausstellung, was es für ihr Leben bedeutet hat, ein Zwangsarbeiter gewesen zu sein.     Bild: (Alexander Schwarzl)

Die Initiatoren, die Abschnitte, die Ergänzungen 

Erstmals in Österreich und exklusiv in Steyr macht die internationale Ausstellung "Zwangsarbeit im Nationalsozialismus" nach Berlin, Hamburg, Moskau, Prag und Warschau von 12. Mai bis 18. Dezember auch im Museum Arbeitswelt Station. Die Details:

Für Steyr adaptiert

Initiiert von der deutschen Stiftung „Erinnerung, Verantwortung und Zukunft“ (EVZ) und unterstützt von der Stiftung Gedenkstätten Buchenwald und Mittelbau-Dora, versucht die Ausstellung erstmals die Gesamtheit dieses Kapitels der NS-Herrschaft, das fast alle europäischen Länder betraf, zu erfassen. Auch das Museum Arbeitswelt war einst Teil des ehemaligen Betriebsgebäudes der Steyr-Daimler-Puch-AG, eines der größten Rüstungskonzerne im Dritten Reich. Unter massivem Einsatz von Zwangsarbeitern wurden Panzer, Gewehre und anderes Kriegsmaterial produziert. „Wir haben für die Ausstellung einen weiteren Teil der Geschichte erforscht. Neben einer Station zur Steyr-Daimler-Puch AG wird auch die Geschichte der Zwangsarbeiter der Hack-Werke erzählt. Unser Museumsgelände war Teil beider Firmen und ist somit auch ein authentischer Ort des Verbrechens“, sagt Katrin Auer, Geschäftsführerin des Museums Arbeitswelt. Über ein Jahr Vorbereitungszeit war notwendig, um die Ausstellung zu realisieren, die, so Auer, nicht nur die lokale Bevölkerung, sondern Menschen in ganz Österreich ansprechen soll. Die anlässlich der Ausstellung neu erarbeiteten Informationen werden übrigens künftig auch im „Stollen der Erinnerung“, der sich in unmittelbarer Museumsnähe befindet, eingearbeitet.

Hörkelche an insgesamt 32 Hörstationen ermöglichen es, Berichte oder vorgelesene Briefe von Zeitzeugen zu verfolgen.    Bild: (Alexander Schwarzl)

Gliederung

Mehr als 60 repräsentative Fallgeschichten bilden den Kern der Ausstellung, die auf eine ausgeprägte Bildsprache setzt und sich in folgende thematische Abschnitte gliedert: Gewalt und Ausgrenzung vor dem Krieg (Gewöhnung) – Zwangsarbeit im besetzten Europa ab 1939 (Radikalisierung) – Zwangsarbeit im Deutschen Reich 1942 bis 1945 (Massenphänomen) – Aufarbeitung und Folgen der Zwangsarbeit (Befreiung).

Die Aufarbeitung der Thematik in der Ausstellung erfolgt anhand von insgesamt 450 Dokumenten und Fotos, bislang weitgehend unbekanntes Material, zusammengetragen in akribischen, langjährigen Recherchen in Archiven in Europa, den USA und Israel. Ergänzt wird das Bildmaterial durch 39 Video- und 32- Hörstationen.

Begleitprogramm

Zusätzlich zur Ausstellung werden im Museum Arbeitswelt während der Dauer der Schau auch Vorträge, Lesungen, Gespräche und Filmabende abgehalten (Eintritt sieben Euro, fünf Euro ermäßigt).
Als besonderes Angebot finden zudem Bus-Exkursionen zu ehemaligen Orten der NS-Zwangsarbeit (Linz, Ennstal, Steyr, Gusen & St. Georgen, Pichl & Hartheim) statt. Die Teilnahme ist gratis.

Darüber hinaus können direkt im Museum Arbeitswelt auch Workshops für Schüler, Lehrlinge und Studenten sowie gesprächsorientierte Führungen für Erwachsenengruppen gebucht werden.

Das Projektteam (v.l.) : Stephan Rosinger, Martin Hagmayr (beide Museum Arbeitswelt), Gero Fedke, Friederike Walter (beide Gedenkstätte Buchenwald). Nicht auf dem Foto: Katrin Auer (GF des Museums Arbeitswelt) Bild: (Alexander Schwarzl)

Ausführliche Informationen unter www.ausstellung-zwangsarbeit.at bzw. www.museum-steyr.at,

E-Mail: anmeldung@museum-steyr.at, Tel.: 07252/77 351.

Öffnungszeiten: Die Ausstellung kann von 12. Mai bis 18. Dezember jeweils von Dienstag bis Sonntag (9-17 Uhr) besucht werden.

 

Zahlen

Zahlen und Daten

  • 580.640 zivile Zwangsarbeiter mussten mit Stichtag 30. September 1944 in Österreich Zwangsarbeit verrichten, etwa ein Fünftel davon in Oberdonau (101.775).
  • 182.000 Kriegsgefangene wurden Ende 1944 in Österreich festgehalten und zu einem Großteil zu Zwangsarbeit verpflichtet.
  • Die drittgrößte Zwangsarbeitergruppe bildeten Ende 1944 die ungarischen Juden: 65.000.
  • Rund 64.000 Insassen österreichischer Konzentrationslager mussten Zwangsarbeit leisten.
  • 20.000 österreichische Juden wurden bereits ab 1938 systematisch zur Zwangsarbeit herangezogen. 1944 waren davon noch 4000 am Leben.
  • Auch Tausende österreichische Roma und Sinti mussten Zwangsarbeit leisten. Im Herbst 1944 lebten davon noch 1500.
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1  Kommentar
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EugeniehGalton (2.880 Kommentare)
am 09.05.2016 10:22

Interessant, dass zu dem Thema keine Kommentare da sind.
Weder von den Rechten noch von den Linken.
Was den/uns intelligente Juden ausmacht, ist die recht zeitige Distanzierung vor Bösem, obwohl wir/ meine Ahnen!!! viel mehr erduldet mussten als ich es tat.
Blutige Hände beim Wiederaufbau, den Verlust Süd-Tirols nach dem 1 WK?
Den Getreuen Hitlers soll es nicht besser oder schlechter ergehen als den Pharaonen seiner Zeit.
Nichts desto halte ich mich an einer Form des reinen Blutes fest.
Die Natur entwickelte jedes Leben auf ihr bestes Überleben.
Die Zwangskreuzung des Homo Sapiens Sapiens ermöglichte es erst der Natur durch deren Vergewaltigung Einfluss zu erlangen. Ich erinnere mich an einen James Bond Film in Gedanken "Moonraker" jetzt fiel es mir ein, eine der Besten Gedanken der Menschheit überhaupt wäre richtig gewesen.
Unschuldig Getötet??????
Frage, an Bord eines Passagierflugzeuges wäre eine Bombe der Kraft von 20 Hiroshima Bombe gewesen, das Flugzeug abschießen oder nicht?

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