Placebo auf neuen Wegen
„Loud Like Love“ heißt das neue Album der britischen Rockband Placebo, die am 21. November in der Wiener Stadthalle gastiert. Ein großes „was ist los?“-Interview mit Gründungsmitglied und Bassist Stefan Olsdal.
Warum das neue das Placebo-Album so experimentierfreudig wie nie ausfiel, er Jubiläen hasst und Österreich einen speziellen Platz in seinem Herzen hat, verrät der gebürtige Schwede hier:
Jedes Album stellt ein neues Kapitel in der Karriere einer Band dar. Was ist für Sie das Spannende am jetzigen „Loud Like Love“-Kapitel?
„Loud Like Love“ wurde in einer Art und Weise aufgenommen, die sich komplett von allem unterscheidet, was wir bisher gemacht haben. Das Album ist quasi in der Mitte geteilt: Wir haben die ersten fünf Songs eingespielt, eine längere Pause gemacht und dann erst den Rest fertiggestellt. Das hat geholfen, uns klar zu werden, was wir eigentlich wollen: vom Sound her, den Themen, der Produktion. Wir mussten die ersten Nummern erst richtig „verdauen“. In der zweiten Hälfte des Albums geht’s dann so richtig ab!
Inwiefern?
Da sind die experimentellsten, vielschichtigsten, elektronischsten und sperrigsten Nummern drauf, die Placebo je gemacht haben. Die Aufnahmen fühlten sich wie eine schräge Reise an, die immer weiter und weiter in die Untiefen des Labors führt.
Produziert hat das neue Album Adam Noble, der auch schon mit George Michael gearbeitet hat. Berührungsängste kennen Placebo nicht ...
Adam besitzt in der Tat eine sehr, nun ja, „ungewöhnliche“ Liste an Künstlern, mit denen er bereits gearbeitet hat (lacht). Aber ich steh drauf. Eine Nummer wie „Too Many Friends“ zum Beispiel versprüht großes 80er-Jahre-Pop-Feeling. Oder „Bosco“, die Schlussnummer des Albums: So verletzlich, so intim haben wir uns noch nie gezeigt. Unsere vorangegangene CD „Battle For The Sun“ war das „mächtige Rockalbum“, „Loud Like Love“ nimmt den Hörer dagegen auf neue Pfade mit.
Trotz all dieser Klangexperimente wird der Sound von „Loud Like Love“ für Fans aber durchaus vertraut klingen. Ein schwieriger Spagat?
Es ist schwer für mich, das neue Album und seinen Sound zu beschreiben, weil ich einfach noch zu nahe dran bin. Wir haben über die Jahre eine musikalische Identität entwickelt. Im Kern sind wir bis heute eine Rockband – aber eine verspielte, experimentierfreudige.
Für das Video zur ersten Single „Too Many Friends“ haben Sie mit Autor Bret Easton Ellis („American Psycho“) zusammengearbeitet. Wie kam’s zu dieser Kollaboration?
Das war in erster Linie die Idee des Regisseurs, ehrlich gesagt. Ellis ist eine bedeutende Figur der modernen Literatur und gleichzeitig sehr „Social Media“-affin, was perfekt zu diesem Song passte und dem Video einen ganz neuen Dreh verlieh.
Gibt es eine unbewusste kreative Verbindung zwischen Ellis und Placebo?
Schwere Frage (lange Pause). Vielleicht leiden beide an den Nachwirkungen der 90er (lacht). Die Nachteile des Ruhms, Einsamkeit, Depression, Verlust des sozialen Status – das sind Themen, an denen sowohl Ellis als auch wir uns abarbeiten.
Patrick Bateman, die serienmordende Hauptfigur aus Ellis’ „American Psycho“, könnte ich mir sehr gut beim Hören einer Placebo-CD vorstellen.
(lacht laut) Ein unheimlicher Gedanke, aber gar nicht abwegig.
Ein Höhepunkt des Albums stellt ohne Zweifel „Rob The Bank“ dar. Was steckt hinter dieser Nummer?
So hart wie auf diesem Song klangen wir schon lange nicht mehr. Inhaltlich geht es in dem Song weniger um Reichtum als um Lustgewinn. Der Typ in dem Song sagt sich: „Mir ist egal, ob das was ich tue, antisozial, unmoralisch oder kriminell ist, solange es mich befriedigt.“ Ohne Rücksicht zu tun und zu machen, was einen erfüllt – der Gedanke hat irgendwas, wie ich leider zugeben muss.
Ihr persönlicher Lieblingssong des neuen Albums?
Das ist immer eine heikle Frage, weil man als Musiker natürlich mit jedem Song emotional etwas verbindet. Aber „Bosco“ bedeutet mir schon mehr als andere Songs. Es ist ein piano-dominiertes Lied und komplett untypisch für uns. Als wir das Stück schrieben, dachten wir noch gar nicht daran, ein weiteres Album zu machen. Das gibt der Nummer einen ganz speziellen Touch, eine besondere Note. Das so ein ruhiger Song einmal auf einem Placebo-Album Platz finden würde, hätte ich mir vor ein paar Jahren nie gedacht.
Nächstes Jahr feiern Placebo ihr 20-jähriges Bestehen. Hegen Sie bereits spezielle Geburtstagspläne für 2014?
Ich kann mich nicht einmal erinnern, was ich heuer an meinem eigenen Geburtstag gemacht habe. Ehrlich: Das ist für die Fans eine schöne Sache, mir könnten Jubiläen aber nicht egaler sein. Vielleicht bringen wir ein paar Placebo-Puppen oder anderen Blödsinn raus (lacht).
Vergangenes Jahr mussten Sie Ihren Auftritt am „Frequency“-Festival nach nur einer Nummer abbrechen, weil sich Sänger Brian Molko plötzlich „unpässlich“ fühlte ...
Es war furchtbar. Aber solche Dinge passieren. Wir werden versuchen, es wieder gutzumachen. Insbesondere, weil wir zu Österreich ein ganz besonderes Verhältnis haben. 1996 habe ich mich auf einem Festival bei euch als homosexuell geoutet. Schon aus diesem Grund wird Österreich immer einen speziellen Platz in meinem Herzen haben.
Die Band: Gegründet 1994 von Brian Molko und Stefan Olsdal, haben Placebo bis heute elf Millionen Alben weltweit verkauft. Seit 2008 sitzt Steve Forrest anstelle von Steve Hewitt hinter dem Schlagzeug. www.placeboworld.co.uk
Das Konzert: Am 21. November machen Placebo auf ihrer „Loud Like Love“-Tournee in der Wiener Stadthalle Halt. Karten für das Konzert gibt es unter der OÖN-Tickethotline 0732 / 7805 - 805 und in allen OÖN-Vorverkaufsstellen.
Die CD: Es ist lange her, seit Placebo so spannend, vielseitig und inspiriert klangen wie auf „Loud Like Love“ (Universal). Nach den brachialen, aber eintönigen Gitarrenattacken des Vorgängers „Battle For The Sun“ steht dieses Mal der Mut zum Experiment im Vordergrund. Elektronische Loops und Beats, zarte Piano-Einsprengsel und sogar Streicher erweitern den patentierten Düster-Indierock des Trios um spannende Facetten. Schönes Comeback! Anspieltipps: „Exit Wounds“, „Rob The Bank“, „Bosco“ und „Begin The End“.