Meister des Schmachtfetzens

Von Lukas Luger   24.Oktober 2014

Keiner wandelt in seinen Songs so traumhaft auf dem schmalen Grat zwischen ehrlich gefühltem Herzschmerz und schmalziger Schlager-Betroffenheit. In seiner US-Heimat jahrzehntelang – durchaus liebevoll – als Schnulzen-Messias verspottet, gelang dem 73-Jährigen mit seinen beiden von Rick Rubin produzierten Alben "12 Songs" (2005) und "Home Before Dark" (2008) ein viel gelobter Neuanfang als altersweiser, düsterer Singer/Songwriter à la Johnny Cash.

Auf seinem 32. Soloalbum (Produzent: Don Was) versucht Diamond den Spagat zwischen Opulenz und Reduktion, zwischen Pop-Schmachtfetzen und fragiler Folk-Kargheit. Mit ambivalentem Ergebnis. Gerade wenn man versucht, nach dem Hören von übelstem Tand wie "Seongah And Jimmy" oder "Marry Me Now" seine Zehennägel wieder zu entrollen, treffen einen wunderschöne Stücke wie "Better Days", "Alone At The Ball" oder "The Art of Love" direkt ins Herz. Rick Rubin, übernehmen Sie wieder!

Neil Diamond: „Melody Road“ (Capitol/Universal)