"Ich bewege mich lieber zwischen den Stühlen"
Nach seinem Hit "Disko Partizani" wollte Shantel keine Wiederholung. Warum, das hat er Reinhold Gruber erzählt.
Ein Diamant gibt ihm nichts, weil nur in einem Misthaufen wundersame Geschöpfe gedeihen würden. Shantel will sich nicht blenden lassen, und er will nicht blenden. Ihm geht es um ein Lebensgefühl, losgelöst von Genres oder Stilen. Sein neues Album "Anarchy & Romance" ist Beweis dafür.
OÖN: Wie passen Anarchie und Romantik zusammen?
Shantel: Ich fand diesen Übergriff gut, um überhaupt einmal mein musikalisches Genre zu definieren. Ich habe mir immer schwer damit getan, es einfach in die Schublade Balkan-Pop zu stecken. In Anarchie spiegelt sich die Haltung wider, mich jeglicher Stilvorgabe zu entziehen. Ich bewege mich lieber zwischen den Stühlen. Der romantische Anteil hat vielleicht damit zu tun, dass für mich das Element der Emotionalität in der Musik immer eine wichtige Rolle gespielt hat. Sonst würde ich nur technokratische, unterkühlte Musik produzieren, die sicher auch ihren Reiz hat. Aber das war für mich persönlich nie eine musikalische Heimat.
Ihre elektronische Musik war auch immer von einer großen Wärme durchzogen.
Kann sein. Im Vergleich zu Kraftwerk, denen es darum ging, den Mensch in der Maschine zu erfinden, fand ich es interessant, dass die Maschine wie beseelt klingt.
Sie entziehen sich zwar Style-Codes, sind aber durch Ihren Hit "Disko Partizani" zu einer Leitfigur für coole Musik geworden. Wie geht es Ihnen da?
Ich habe die Erfahrung gemacht, dass ich mit etwas begonnen und sofort einmal eine ablehnende Haltung gespürt habe. Ich habe stets gerne mit exotischen Nuancen gespielt. Das fanden manche komisch. Als ich mit dem Bucovina Club Orkestar anfing, war die Reaktion: Jetzt hat er völlig den Verstand verloren.
Warum?
Es hieß, diese Musik sei uncool und wolle niemand hören. Ich war also in diesem Sinne immer weit entfernt vom Trend. Ich habe das einfach durchgezogen, weil ich mir meiner Sache sicher gewesen bin. Ich wollte auch nicht im Strom mitpaddeln, sondern habe immer bewusst das Experiment und das Risiko gesucht. Dass es wie bei "Disko Partizani" eine so unglaubliche Dynamik angenommen hat, war aber nicht vorhersehbar.
Sie hätten aber auf der Erfolgswelle weitermachen können?
Ich hätte mein Erfolgsrezept problemlos verwalten können. Das finde ich aber so etwas von öde und langweilig. Ich hatte das Gefühl, mich gerne vielfältiger zu orientieren. Mit "Anarchy & Romance" wollte ich einen Sound kreieren, der sich stärker an meinem Live-Sound orientiert. Dieses Album betont viel stärker das Organische, das Handgemachte, das Minimalistische. Blut, Schweiß, Seele und Herz stecken da drinnen – natürlich auch immer mit konzeptionellen Hintergedanken.