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Das Lebensgefühl des Balkan

Von Reinhold Gruber, 15. Februar 2014, 00:04 Uhr
Das Lebensgefühl des Balkan
Nebosja Krulanovic (2.v.r.) ist der Boss von Jazzwa, Thomas Mandel (3.v.l.) sein Sprachrohr. Vereint sind alle im Spaß an der gemeinsamen Musik. Bild: R. Winkler

Nebosja Krulanovic huldigt seit zehn Jahren in Linz mit Jazzwa dem Miteinander der Kulturen. Eine Band, acht Menschen, drei Nationalitäten.

Als Nebosja Krulanovic vor zehn Jahren in Linz Jazzwa gründete, war es in erster Linie eine Band. Die Trans Danube Music Orient Express Band, verbunden der Musik und dem Lebensgefühl des Balkan.

Zehn Jahre später stellt der Bosnier, der seit 1986 in Österreich lebt und arbeitet, zufrieden fest, dass sich nach Zeiten des Kommens und Gehens acht Musiker in diesem Kollektiv gefunden haben. "Jetzt ist die Besetzung fix und die Energie stimmt", sagt der Pianist und musikalische Leiter für Schauspiel am Musiktheater in Linz. Die Begeisterung und der Wille, Neues entstehen zu lassen, vereint die Musiker aus Österreich, Bosnien und Serbien. Saxofonist Thomas Mandel stimmt seinem Boss zu. "Es macht Spaß. Nach einer Jazzwa-Probe geht es mir besser als vorher. Das liegt an der Musik."

An Jazzwa beeindruckt nicht nur die Musik. Die Band ist Ausdruck eines gelebten Miteinanders. Die Musik ist eine Möglichkeit, die Integration zu fördern. Dafür ist natürlich das Verstehen des jeweils anderen notwendig.

 

Jazzwa ist der Beweis dafür, dass sich unterschiedliche Kulturen mit der Musik verbinden lassen. Ist der Gedanke des Miteinanders mittlerweile beim Publikum angekommen?
Krulanovic: Ja. Jazzwa verbindet Kulturen und damit auch Menschen. Wir verfolgen aber nicht diesen Multi-Kulti-Schmäh, uns geht es um eine Botschaft.

Wie lautet die Botschaft?
Krulanovic:
Das neue Programm trägt den Titel "Pijem pivo rakija mi gorka", was auf Deutsch heißt: Ich trinke Bier, weil mir der Schnaps zu bitter geworden ist. Im übertragenen Sinn geht es um die Migranten, die hierher gekommen sind, weil ihnen das Leben in ihrer Heimat zu bitter geworden ist. Das Programm verfolgt eine integrative Linie. Wir wollen Migranten ins neue Musiktheater locken und gleichzeitig den Österreichern die Berührungsängste vor dem Fremden nehmen. Wir sind mit Jazzwa das Beispiel dafür, dass das Miteinander gut funktionieren kann.

Weil alle daran Spaß haben?
Krulanovic:
Ja. Unser Bassist Enes Seferovic kommt wie ich aus Sarajevo und hat gemeint, dass er diese Musik in Bosnien nie spielen würde. Er habe die Lieder tausende Male gespielt, es sei immer der gleiche Sound. Hier ist es aber für ihn anders. Mit Jazzwa ist es für ihn ganz anders, weil die Österreicher die Balkanmusik schräg spielen. Das hat eine andere Energie.

Geht es nur um die Energie der Musik oder spielen auch die Texte eine wichtige Rolle dafür?
Mandel:
Da ich kein Wort der Texte verstehe, erhalte ich die Informationen von Nebosja. Wenn ich in den Konzerten als Moderator die Inhalte transportiere, dann klingt das manchmal absurd. Das Fremde wird mir als Österreicher erst dadurch bewusst.

Zum Beispiel?
Mandel:
Da gibt es das Lied über einen Mann, der sich verliebt hat, aber es gelingt ihm nicht, die Angebetete für ihn zu interessieren. Also betrinkt er sich so stark mit Schnaps, damit er sich nicht umbringt. Das ist ein Lebensgefühl, das wir Österreicher nicht kennen. Das ist eine Unbedingtheit, eine Leidenschaft, die die Bewohner des Balkans stark von uns unterscheidet. Es ist auch nicht unbedingt politisch korrekt, ein lustiges Lied über die Kalaschnikow zu singen. Nebosja hat mir erzählt, dass es in Zeiten des Krieges üblich war, dass die Burschen gemeinsam tranken und am nächsten Tag zogen sie fremde Uniformen an, gingen 500 Meter weg und schossen aufeinander. Das ist für mich undenkbar. Da lerne ich etwas über Integration.

Versteht man dann auch die Kompromisslosigkeit der Musik besser, wenn man weiß, wie die Menschen dort leben?
Mandel:
Mit der Musik beginnt man auch die Menschen zu verstehen. Man versteht das Nebeneinander von Lachen und Weinen, von Lebensfreude und Melancholie.

Gibt es eine Wechselbeziehung zwischen dem Erscheinungsbild und dem Inhalt einer Musik?
Mandel:
Das ist generell ein verblüffendes Thema. Wenn man zum Beispiel an Rembetiko denkt, dann klingt das nach griechischer Urlaubsmusik. In Wirklichkeit ist es Revolutionsmusik. Bei der Balkanmusik ist es ähnlich. Der Text ist oft härter als die Musik. Gleichzeitig findet man Bilder, die in keinem österreichischen Volksmusik-Text vorkommen würden. In einem Lied geht es darum, dass auf der Erde alles kaputt ist, Perspektiven verloren gegangen sind, keine Hoffnung mehr da ist und der Mensch träumt von einem Himmel, in dem eine Riesen-Party gefeiert wird. Das fasziniert mich. Wenn ich das von Nebosja erzählt bekomme, dann verstehe ich die Andersartigkeit.

Sind die Menschen am Balkan wirklich so anders?
Krulanovic:
Ich habe nach dem Krieg jahrelang drei Freunde getroffen, die nach Kanada ausgewandert sind. Wir haben die ganze Nacht geredet und getrunken. Sie waren am Balkan während des ganzen Krieges. Sie haben mir ihre Geschichte erzählt, wie sie zusammengehalten haben, das letzte Stück Brot geteilt haben. Alle waren einer Meinung: Schade, dass es vorbei ist. Da bist du verblüfft, weil Krieg war. Dennoch ist für sie in der Erinnerung das enge Zusammensein geblieben.

Was nimmt man vom jeweils anderen und seiner Musik mit?
Mandel:
Es ist herrlich, wenn man nicht so penibel auf die Buchstaben schauen muss. Die Balkanmusik ist viel offener. Ich kann so viel ändern, wie es mir gerade einfällt. Krulanovic: Die Musik lebt immer und es ist stets spannend, was passiert. Es ist nie gleich, nicht steril.

Ist Jazzwa eine Lehre fürs Leben?
Mandel:
Ich bin ein halber Böhme, durch meine Großmutter. Ich habe mich immer mehr mit slawischer Volksmusik identifizieren können als mit der österreichischen. Da ich normalerweise ein melancholischer Mensch bin, reflektiert die slawische Musik das besser als ein Kärntnerlied. Der Balkan-Blues ist traurig und lustig gleichzeitig.

Was habt ihr für das Miteinander voneinander gelernt?
Mandel:
Ich habe gelernt, dass es schon ein wenig schwieriger mit der Integration ist als wir geglaubt haben. Wir haben ganz viele Berührungspunkte. Treffen uns regelmäßig, spielen miteinander, haben von vorneherein eine positive Absicht – das macht es schon wesentlich leichter als für Menschen, die das alles nicht haben. Aber natürlich gibt es Mentalitätsunterschiede, die einfach da sind. Krulanovic: Wenn wir zusammen spielen, nimmt man das nicht mehr wahr. Es ist unsere Band.

Konzert am 21. Februar um 19.30 Uhr im Großen Saal des Musiktheaters Linz, Internet: www.krulanovic.com

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