Gesundheit ist Pflicht!
Möchten wir nicht alle gesund und glücklich sein? Na eben! Um dieses Ziel zu erreichen, haben die Menschen in Juli Zehs „Corpus Delicti“ ihre individuellen Freiheiten und exzentrischen Verhaltensweisen aufgegeben.
Sie prüfen ständig ihre Cholesterin- und sonstigen Werte, strampeln ihre planmäßig vorgeschriebenen Kilometer auf dem Hometrainer, verzichten auf Zigaretten und Alkohol und haben Verständnis dafür, dass eine zentrale Macht nicht nur ihr Gesundheitsverhalten, sondern auch ihre Partnerwahl kontrolliert. Es herrscht „die Methode“, die rationale, objektiv richtige Weltsicht.
Und so könnte diese neue Welt wunderschön sein, wenn es nicht unverbesserliche Störenfriede gäbe, zum Beispiel die Terror-Aktivisten der R.A.K. („Recht auf Krankheit“) oder den individuellen Verweigerer Moritz Holl, der allen hygienischen Erkenntnissen zum Trotz Fische mit der Angel fängt und sie über offener Glut im Freien brät. So einer unterhält natürlich auch verbotene sexuelle Beziehungen, und als eines Tages eine Frau vergewaltigt und getötet wird, weist „die Methode“ mit wissenschaftlicher Präzision nach, dass Moritz Holl der Täter ist. Der Sturschädel beteuert allerdings seine Unschuld und begeht Selbstmord.
Dadurch gerät das Leben seiner Schwester Mia, die bisher vorbildhaft den Vorgaben der „Methode“ gefolgt ist, in die Krise, denn auch Mia ist von der Unschuld ihres Bruders überzeugt. Was nun folgt, ist ein spannender Justiz-Krimi, denn die „Methode“, in ihrer Selbstdarstellung eine völlig neue Regierungsform, greift auf die alten Mittel zurück, mit der alle Herrschaftssysteme ihre Macht abgesichert haben: Intrige, Diffamierung, Inhaftierung, Folter, Erpressung, Tötung des Gegners (in der „fortschrittlichen“ Form des Einfrierens auf unbestimmte Zeit).
Juli Zeh spielt in ihrem neuen Roman wieder ihre bewundernswerten Stärken aus: handwerkliche Professionalität, hohe Sprachsensibilität und intellektuelle Reflexionsfähigkeit.