Lade Inhalte...
  • NEWSLETTER
  • ABO / EPAPER
  • Lade Login-Box ...
    Anmeldung
    Bitte E-Mail-Adresse eingeben
    Bitte geben Sie Ihre E-Mail-Adresse oder Ihren nachrichten.at Benutzernamen ein.

gemerkt
merken
teilen

Wenn Kunst zum Kriminalfall wird

Von Peter Grubmüller, 12. Juni 2012, 00:04 Uhr

Den Erben bedeutender Kunstwerke geht es ums Geld. Das ist nichts Unanständiges. Seit sechs Jahren fordern die Linzer Brüder Alfred, Johannes und Klaus Jäger von der Stadt Linz Schadenersatz für vier Bilder, die seit 60 Jahren verschwunden sind.

In einem Punkt (Egon Schieles Zeichnung „Paar“) sprach der Oberste Gerichtshof im Juli 2011 den Klägern 100.000 Euro zu. Verbliebener Streitwert: 6,25 Millionen Euro für „Zwei Liegende“ (Zeichnung von Gustav Klimt), „Junger Mann“ (Aquarell von Schiele) und „Tote Stadt“ (Öl auf Pappe von Schiele).

Im Nachlass von Olga Jäger (1880–1965) entdeckten die Erben einen von Walter Kasten (1902– 1984) unterschriebenen Leihschein. Kasten war später Direktor der Neuen Galerie der Stadt Linz, des heutigen Lentos. Das einzige Beweisstück trägt den Briefkopf des Kunstsammlers Wolfgang Gurlitt (1888–1965), des Gründers der Neuen Galerie. Zurzeit klärt das Landesgericht Linz den „Grund des Anspruchs“. Eine Entscheidung über die Höhe der eventuellen Entschädigung wird in zwei bis drei Jahren erwartet (die OÖNachrichten berichteten).

Ein derart verworrener Fall ist Andreas Cwitkovits noch nicht untergekommen, obwohl dem Wiener Rechtsanwalt jede Woche heikle juristische Problemstellungen aus der Kunst auf den Tisch flattern. Cwitkovits vertritt die Familie Jäger, er schrieb Bücher über Kunst-Kriminalfälle, und er vermittelte 2010, dass Klimts „Kirche von Cassone“ bei Sotheby’s in London um 30,7 Millionen Euro versteigert wurde. Kläger und Beklagte teilten sich den Erlös.

Fall mit zwei Unschuldigen

Das Bild gehörte der jüdischen Familie des Stahlindustriellen Viktor Zuckerkandl, es verschwand im Zweiten Weltkrieg. Die Eigentümerin – Zuckerkandls Schwester Amalie Redlich – wurde von den Nazis umgebracht. Das Bild ging durch mehrere Hände, es kam zur Auseinandersetzung zwischen dem aktuellen Besitzer und den kanadischen Erben der jüdischen Eigentümerin. Cwitkovits: „Der Fall betraf zwei Unschuldige: Den gutgläubigen Käufer, der viel bezahlt hat. Und die Erben der Opfer, die auch schuldlos an der Situation waren.“ Solche Fälle seien häufig, wenn auch nicht in dieser Dimension. Das tägliche Brot der Kunstanwälte sind Reklamationen von Käufern bei Fälschungen und Miterbengemeinschaften, sofern etwa einer von vier Erben das gute Stück verkauft, ohne die drei anderen am Erlös zu beteiligen.

Cwitkovits hatte einst bei einer Wirtschaftskanzlei gearbeitet, die reiche Adelige dabei vertrat, Burgen, Schlösser und Liegenschaften in Osteuropa zurückzubekommen. Cwitkovits: „Dabei tauchten viele alte Gemälde und Möbel auf, so bin ich zur Kunst gekommen.“

Cwitkovits wehrt sich gegen das Wort „Kuhhandel“ für eine Einigung wie im Fall „Kirche von Cassone“. Sofern Kläger und Beklagte mit Abwicklung und Höhe des Erlöses einverstanden sind, sei dagegen nichts einzuwenden. Er kritisiert vielmehr, dass ein beträchtlicher Teil an kriminellen Geschäften ein hausgemachtes Problem des Kunstmarktes sei, verursacht von den Auktionshäusern. Cwitkovits: „Auktionshäuser sind nicht motiviert, die Sorgfaltspflicht einzuhalten.“ Einige dieser Unternehmen würden Stücke durchschleusen, ohne sich zu vergewissern, was sie verkaufen. „Ein Auktionshaus versteigert etwas und bekommt von Käufer und Verkäufer 12 bis 25 Prozent Provision“, sagt Cwitkovits. Sofern sich herausstellt, dass das Werk gefälscht/gestohlen ist, wird dem Käufer der Preis zurückerstattet, vom Einbringer verlangt das Auktionshaus das Ausbezahlte.

In Linz handle es sich zwar wieder um den Fall von zwei Unschuldigen, „aber“, sagt Cwitkovits, „eine Stadt muss dafür einstehen, wen sie sich einst als Partner ausgesucht hat.“

Andreas Cwitkovits im Interview

Der Wiener Rechtsanwalt Andreas Cwitkovits vertritt die Familie Jäger, die von der Stadt Linz 6,25 Millionen Euro wegen verschwundener Bilder fordert.

OÖN: Wie kommen Sie auf die Summe von 6,25 Millionen Euro bei Bildern, die gar nicht vorhanden sind?

Andreas Cwitkovits: Wenn man sich Auktionserlöse von Schiele-Gemälden anschaut, dann liegen die in zweistelliger Millionenhöhe. Drei Gutachter haben uns einen Wertrahmen von fünf bis acht Millionen Euro ermittelt, der Mittelwert von sechs Millionen stellt jetzt den Streitwert dar, wobei schon berücksichtigt wurde, dass man die Bilder nicht mehr sehen kann. Wenn man die „Tote Stadt“ tatsächlich noch hätte, dann wäre es vermutlich das Dreifache.

OÖN: Es klingt kurios, dass über so viele Jahre innerhalb der Familie Jäger nie über die Bilder gesprochen wurde. Wie erklären Sie sich diesen Umstand?

Andreas Cwitkovits: Das wurde durch mehrere Erbgänge – seit der ursprünglichen Besitzerin Olga Jäger gab es vier davon – verursacht. Die Bilder wurden übersehen und vergessen. Die jetzigen Söhne haben die Leihscheine eben gefunden.

OÖN: Gab es Angebote Ihrer Mandanten, sich mit der Stadt außergerichtlich zu vergleichen?

Andreas Cwitkovits: Ja, es gab Gespräche und Angebote, auch bei Gericht haben wir über Vergleiche verhandelt. Aber die Stadt tut sich in diesem Punkt schwer, weil es Steuergeld ist, das zu zahlen ist. So ein Beschluss muss durch mehrere Gremien der Stadt – und da gibt es von der Opposition und von Kontrollorganen viele Fragen. Mein Eindruck ist: Wir brauchen ein Urteil, auch wenn die Vertreter der Stadt noch so guten Willens sind, damit nie der Vorwurf auftaucht, es würde Steuergeld verschenkt werden. Ich rechne, dass es durch alle Instanzen geht.    (pg)
 

 

Kunst-Kriminalfälle

30,7 Millionen Euro bringt 2010 die Versteigerung des Gustav-Klimt-Gemäldes bei Sotheby’s in London ein. Der aktuelle Eigentümer und die Erben der rechtmäßigen jüdischen Besitzerin einigen sich auf die Teilung des Erlöses.
6,25 Millionen Euro fordert die Familie Jäger von der Stadt Linz für 1951 verliehene und verschwundene Werke von Gustav Klimt und Egon Schiele.
12-25 Prozent vom Erlös kassieren Auktionshäuser von Käufern und Verkäufern. Sofern das Kunstwerk gefälscht oder gestohlen ist, geht es einfach wieder zurück. Das Auktionshaus erstattet dem Käufer den Preis zurück und verlangt vom Einbringer das Ausbezahlte. Wenn ein Käufer bestimmte Fristen versäumt, muss er sehen, wie er zu seinem Recht kommt.

mehr aus Kultur

"Ich will darüber sprechen, weil ich stolz bin, dass ich das geschafft habe"

Shakespeare im Schulhof

Die "knopfaten" Leut’ aus dem Salzkammergut im Porträt

"Blick ins Kastl": "Mord mit Aussicht" auf einen leicht seichten TV-Abend

Lädt

info Mit dem Klick auf das Icon fügen Sie das Schlagwort zu Ihren Themen hinzu.

info Mit dem Klick auf das Icon öffnen Sie Ihre "meine Themen" Seite. Sie haben von 15 Schlagworten gespeichert und müssten Schlagworte entfernen.

info Mit dem Klick auf das Icon entfernen Sie das Schlagwort aus Ihren Themen.

Fügen Sie das Thema zu Ihren Themen hinzu.

1  Kommentar
1  Kommentar
Die Kommentarfunktion steht von 22 bis 6 Uhr nicht zur Verfügung.
Neueste zuerst Älteste zuerst Beste Bewertung
Ameise (45.683 Kommentare)
am 12.06.2012 09:37

...

lädt ...
melden
Aktuelle Meldungen