Gepflegte Fadesse im Mittelmaß
Leo Falls 1922 für Berlin geschriebene Operette „Madame Pompadour“ wurde bei der Premiere an der Wiener Volksoper vom Publikum zwar mit Applaus goutiert, aber eigentlich war es über drei Stunden lang gepflegte Fadesse mit pseudointellektuellem Tiefgang. Dazu auch musikalisch nur gehobenes Mittelmaß.
Da stellt sich wieder einmal die Frage, ob man Operette überhaupt noch spielen soll, oder ob man beim oft sehr auf das damalige Zeitgeschehen bezogene Genre massiv eingreifen muss, um die Stücke für heute erträglich zu machen. Oder sie einfach als das nehmen soll, was sie sind: antiintellektuelles, bürgerliches Lachtheater.
„Pom-pom-pom-Pom-padour“
Texte wie „Die Pom-pom-pom-Pom-padour ist eine große Hahaha!…“ sind in ihrer Banalität treffend, aus der kabarettistischen Sprache der Zeit verständlich, aber wollen, wie die wackelnden Popos der jüngeren Songcontest-Ära, auch nicht mehr sein. Heinrich Horstkotte, der für Regie und die geglückte Ausstattung zuständig ist, hat sich viel gedacht, aber dieses Ergebnis zu sehr in die Inszenierung einfließen lassen und damit das Stück gehörig überfrachtet. Auch wenn mancher Seitenhieb oder manches Zitat durchaus witzig herüberkamen – über drei Stunden mit mehr oder weniger krampfhaften Versuchen, dem banalen Geplänkel Sinn zu geben, machen das Ganze nicht lustiger.
Hier müsste man die überlangen, oft ins Leere laufenden und kaum Pointen erklimmenden Zwischentexte radikal kürzen. Dann bekäme der Abend mehr Stringenz, und das teilweise sehr Gute würde eben nicht im Nichts verebben.
Aus dem Orchestergraben erklang unter der Leitung von Andreas Schüller routinierte Operettenseligkeit – das war es auch schon. Leo Falls Musik hat mehr zu bieten, als nur die banalen Couplets zu untermalen, und das gut disponierte Orchester wäre sicher dazu bereit gewesen. Auch sängerisch weilte man nicht im siebten Operettenhimmel, sondern in der knallharten Realität, die zeigt, wie schwierig es ist, Operette passabel zu besetzen.
Mirko Roschkowski sang seinen René mit wunderbar geführten Phrasen und mit schön timbrierter und höhensicherer Stimme, blieb aber vom Regiekonzept unberücksichtigt und schien mehr ungelenk durch die Szenerie zu tapsen, als einen Adeligen von Format zu mimen. Eine feine Charakterstudie bot hingegen Heinz Zednik als leicht vertrottelter König, der mit seinem ebenfalls etwas danebenstehenden Polizeiminister – hervorragend von Gerhard Ernst gespielt – ein perfektes Komikerduo abgab. Nicht nur optisch passend, sondern Schwung in die Szenerie bringend das Buffopaar Beate Ritter und Boris Pfeifer; ordentlich Elvira Soukoup als Madeleine.
Dasch in einer Stimmkrise?
Enttäuschend hingegen der Star des Abends: Annette Dasch als Pompadour. In ihrer quirligen Art und Weise spielte sie hervorragend und weiß auch sehr genau, wie man diese Musik darstellen muss. Die Phrasierung stimmt, der musikalische Ansatz ebenso, aber die Stimme?
Entweder fehlt ihr die Technik, oder sie ist in einer veritablen Stimmkrise, denn so laut war das Orchester auch wieder nicht, dass sie nur deswegen nicht über den Graben kam. So blieb vieles ungehört, und das, was ankam, war intonationsmäßig und klanglich nicht restlos überzeugend. Das kommt zwar nicht ganz überraschend, ist aber doch irritierend.
Operette: „Madame Pompadour“ von Leo Fall; Volksoper Wien, Premiere am 8. Juni
OÖN Bewertung: drei von sechs Sternen
Weitere Termine: 14., 16., 18., 20., 24. und 27. Juni sowie 15., 17., 20. und 27. September; www.volksoper.at