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Drei Blicke auf das Geschäft mit Sex

Von Ludwig Heinrich, 05. September 2011, 00:04 Uhr
Drei Blicke auf das Geschäft mit Sex
Regisseur Michael Glawogger präsentiert seinen Film „Whores’ Glory“ am Freitag in Linz. Bild: APA

Welturaufführung für den Grazer Michael Glawogger am Lido: Seine neueste Doku „Whores’ Glory“ (Untertitel: „Ein Hurenfilm“), vergangene Woche bei den Filmfestspielen in Venedig gezeigt, ist am Freitag in der OÖNachrichten-Filmnacht im Moviemento Linz zu sehen, im Beisein des Regisseurs.

OÖN: Haben Sie keinen deutschen Titel gefunden?

Glawogger: Würde es etwas Äquivalentes auf Deutsch geben, hätte ich es genommen. Aber „Hohelied der Huren“ etwa würde zu gespreizt klingen. Der englische Titel, meine ich, sagt alles am besten. Ich habe ihn von William Vollmanns Buch „Whores For Gloria“ geborgt. „Whores’ Glory“ deutet von vornherein eine gewisse Geste der Verbeugung an. Die Prostituierten, denke ich, tun dem Gleichgewicht der Geschlechter einen Riesengefallen. Der Titel ist eigentlich schon eine Aussage: Ich wollte mir das mit aller Achtung und mit Respekt anschauen.

OÖN: Wo lag die Initialzündung für dieses Projekt?

Glawogger: Bei meinem Film „Megacities“. Da war der meistdiskutierte Teil der Auftritt der Tänzerin Cassandra, einer Halbprostituierten. Die zahlreichen Diskussionen von damals gaben mir den Kick, dass im Umfeld von käuflichem Sex und Sexualität, die zur Schau gestellt wird, viel mehr steckt. Bei der Prostitution wird bekanntlich um Sex verhandelt, das ist nicht wie der Einkauf irgendeiner Ware. Ich dachte: So einfach kann das ja nicht sein, denn wenn man etwas derart Intimes wie Sex verkauft, kann es nicht bloß um Brösel gehen.

OÖN: Das Thema wurde in vielen Filmen angeschnitten?

Glawogger: Ja, aber eben nur angeschnitten, heimlich versteckt. Ich wollte versuchen, mich freizuhalten von: übertriebener Faszination, übertriebener Verdammung und übertriebener Opferdarstellung der Frauen.

OÖN: Sie haben drei Schauplätze gewählt. Bangkok, Faridpur, die Stadt der Freude in Bangladesch, und La Zona im mexikanischen Reynosa. Warum gerade diese Orte?

Glawogger: Bei meinen bisherigen Dokus entwickelte ich die Praxis, Fotografen aus dem jeweiligen Land einzuladen und mit ihnen eigene fotografische Projekte zu machen. Bei „Workingman’s Death“ traf ich einen Fotografen aus Bangladesch. Er hat mir von Faridpur erzählt, aber gleichzeitig erklärt, es sei ganz unmöglich, dort zu fotografieren oder gar zu filmen. Er wollte mir den Platz aber zeigen. Der Zufall war unser Weggefährte. Es war 2006, die Fundamentalisten wollten Faridpur gewaltsam räumen, wir mischten uns mit einer Fotokamera unter die Menge, die Bilder erschienen in einer Zeitung, und unsere Sympathien waren klar zu erkennen. Das öffnete Türen. Wir erhielten sogar eine Dreherlaubnis.

OÖN: Ausgangsbasis für ein Triptychon?

Glawogger: So war es. Mit Bangladesch als Herzstück sollte ein Triptychon entstehen, ein Altarbild aus drei Kulturen, drei Religionen, drei verschiedenen sozialen Schichten.

OÖN: Was ist sonst der große Unterschied zwischen Ihren Schauplätzen?

Glawogger: Jeder hat ein anderes Selbstverständnis. Ich habe „Whores’ Glory“ mexikanischen Frauen gezeigt, weil ich diesen Teil als härtesten empfunden hatte. Die Mexikanerinnen waren anderer Meinung. Die empfanden die Situation in Bangkok als die schlimmste, weil die Frauen dort hinter Glas sind. „Wir danken Gott“, sagten die Mexikanerinnen, „dass es bei uns nicht so ist.“

OÖN: Und die Meinung des Michael Glawogger?

Glawogger: Für mich lief es in Bangkok am beiläufigsten, businessartig. Dort kratzte die Frauen ihre Betätigung am wenigsten, der Umgang damit war ziemlich locker. Bangladesch war ein Gegenentwurf. Die jungen Moslems haben dort keine Gelegenheit, Sex auszuleben – außer durch einen Schritt in dieses Matriarchat in Faridpur. Dort können sie etwas erleben, was draußen nicht möglich ist. Und Mexiko? Katholische Härte mit sehr viel Herz. Die Frauen sprachen total geradeheraus.

OÖN: Hat Ihr Film eine so genannte „message“?

Glawogger: Ich bin absolut der Meinung, dass Filme, die eine „message“ vor sich her tragen, am Ende nichts anderes werden als schlechte Kunst. Um etwas über die Welt zu sagen, soll man die Kamera beobachten lassen. Sonst steht man sich selbst im Weg. Das Schlimmste, was ein Film sagen kann, ist: „…und die Moral von der Geschicht’“. Von solchen Zugängen muss man sich befreien.

OÖN: Wie viel Wahrheit, glauben Sie, vermitteln Sie mit „Whores’ Glory“?

Glawogger: Es ist mir klar, dass sich die Frauen beim Erzählen auch in Lügengeschichten verstrickten. Die einzige Möglichkeit für uns war, es als Wahrheit zu nehmen. Das ergab am Ende von selbst so was wie eine Aussage. Die Beobachtung der Wirklichkeit mit einer Kamera ist aber immer besser als große Theorie. Bilder, Gesten, Sätze ergeben am Ende ein Ganzes, wie bei einem Gemälde von Hieronymus Bosch. Der hat in der Malerei vorgezeigt, was dem Film so eigen ist und ihn so besonders macht.

OÖN: Demnächst?

Glawogger: Ich plane wieder eine Doku. Unter dem Motto „Untitled – Der Film ohne Namen“. Ich möchte mich einmal von der Geiselhaft eines Themas befreien, in die Welt fahren und einfach Dinge filmen, die mir begegnen. Außerdem möchte ich, nach „Nacktschnecken“ und „Contact High“, meine Komödien-Trilogie zu „Sex, Drugs & Rock’n’Roll“ beenden. Rock’n’Roll ist noch ausständig.

Verlosung: OÖN-Filmnacht

Am Freitag erlebt der Dokumentarfilm „Whores‘ Glory“ seine Premiere bei der Filmnacht der OÖNachrichten im Moviemento in Linz. Der Film ist zweimal, um 18.30 und 21 Uhr, zu sehen. Pesönlich zu Gast ist dabei auch der Grazer Regisseur Michael Glawogger. Er wird nach der ersten Filmvorführung dem Publikum für etwaige Fragen Rede und Antwort stehen.

Kartenverlosung:
Die OÖNachrichten verlosen 30 x 2 Karten für die Filmnacht am Freitag im Moviemento Linz. Hier geht's zum Gewinnspiel.

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1  Kommentar
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Ameise (45.683 Kommentare)
am 05.09.2011 19:41

Da wird ein uraltes Thema über Ausbeutung und hündischem Trieb wieder mal "neu"durchgekaut.Mittels "Bla-bla"wird versucht,Qualitätsansprüche vorzugaukeln.Nichts neues im Lande...

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