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Tatort: Das Hochamt des Fernsehens

Von Von Peter Grubmüller, 19. August 2010, 00:04 Uhr
Das Hochamt des Fernsehens
Helmut Krassnitzer (Tatort-Hauptkommissar Eisner) und Andreas Vitasek (Braun) ermitteln am 29. August. Bild: ORF

Am 29. August wird der nächste Österreich-„Tatort“ ausgestrahlt. Die Folge „Glaube, Liebe, Tod“ spielt im Sektengenre, vom Linzer Lukas Sturm stammt das Drehbuch.

OÖN: War Ihr Drehbuch ursprünglich als Tatort-Episode vorgesehen?

Sturm: Die Geschichte entspringt einer Dokumentation, die ich vor vielen Jahren für die damalige Sendung X-Large, für die ORF-Jugendredaktion, gedreht habe. Ich war Mitte 20 und hab’ mich sehr mit den Phänomenen Sekten, Kulte und totalitäre Systeme beschäftigt. Mich interessierte, wie man Menschen manipulieren und Ideologien aufbauen kann – von Scientology bis zu den Kindern Gottes – und bin auf das Phänomen „Deprogramming“ gestoßen. Es kam in der 80ern aus dem angloamerikanischen Raum. Eltern, deren Kinder bei Sekten waren, haben jemanden angeheuert, der diese Kinder aus den Sekten herausgeholt hat. Teils freiwillig, teils unfreiwillig. Die Kinder wurden einer Art Gesprächstherapie unterzogen, wahrscheinlich war es eher Gegengehirnwäsche.

OÖN: Was ist mit diesen Kindern passiert?

Sturm: Einige Tage lang wurde ihnen erzählt, was in der Sekte ausgeblendet wird. Diese Gruppen haben ja ganz radikale ideologische Prägungen, sie indoktrinieren ihre Mitglieder, ihr Ziel ist die Teilung der guten Innenwelt von der bösen Außenwelt. In diesen Gesprächen sollten sie von der anderen Seite der Medaille erfahren. Danach konnte das Kind frei entscheiden, ob es zur Sekte zurückkehrt oder einen anderen Weg geht. Ich habe mich mit mit einem Kanadier getroffen, der diese Quasi-Entführungen im Auftrag von Eltern durchgeführt hat. In Amerika ist das ja ganz schwierig, weil Meinungsfreiheit und Glaubensfreiheit Grundrechte sind. Und schon damals hab’ ich mir gedacht, darüber könnt’ ich einen Film machen.

OÖN: Und wie wurde dieser Film ein Tatort?

Sturm: 15 Jahre später fragte mich ein Spielfilm-Redakteur des ORF, welche Geschichten mich reizen würden. Ich hab’ ihm davon erzählt, und er empfahl mir den Tatort.

OÖN: Hatten Sie beim Schreiben Harald Krassnitzer als Kommissar Moritz Eisner im Kopf?

Sturm: Ja, weil er vorgegeben ist. Um ihn herum baut man einen Figurenkontext. Ich hab’ dazu eine Figur erfunden, die ich sehr liebgewonnen habe: den Karl Bindmayer, ein ehemaliger Kollege von Eisner, der jetzt bei der Verkehrsabteilung arbeitet. Die beiden treffen sich bei diesem Fall. Er ist eine witzige Figur, die den Bierernst der Szene auflockert.

OÖN: Ist ein Tatort-Drehbuch der Ritterschlag im deutschsprachigen Fernsehen?

Sturm: Absolut. Ich muss aber gestehen, mir war das gar nicht bewusst – aber der Tatort am Sonntag ist in Deutschland das Hochamt des Fernsehens. Sieben Millionen Leute schauen zu, Tatort-Fanklubs gibt es auch. Ich selbst hab’ ganz selten Tatort geschaut.

OÖN: Schauen Sie jetzt Tatort?

Sturm: Viel mehr. Krimi ist ja ein tolles Genre zum Schreiben. Es erlaubt viele Geschichten, es ist spannend, es ist Drama, man kann gesellschaftspolitisch eingreifen, man kann klassische Hardcore-Geschichten erfinden – herrlich.

OÖN: Warum haben Sie die Sekte „Epitarsis“ erfunden und nicht eine bestehende beschrieben?

Sturm: Weil ich dadurch freier war, welche Eigenschaften ich dieser Gruppe zuschreibe. Die Qualität der Fiktion ist ja auch, dass man ein möglichst glaubwürdiges, aber eigenes Universum schafft. Ich wollte nicht verpflichtet sein, einer existierenden Gruppe und auch ihrer Widersprüchlichkeit gerecht zu werden. Mir ging es ja auch nicht um die Scientologen, so viel Ehre würde ich denen gar nicht zukommen lassen. Mir ging es um das Phänomen, wie eine Familie an so einer Gruppe zerbricht.

OÖN: Sie sind selbst Filmemacher. Ist es Ihnen schwergefallen, Ihr Drehbuch in die Hände eines anderen Regisseurs zu legen?

Sturm: Das war ungewohnt, oh ja. Mit der Fortdauer des Schreibens hab’ ich dann das Schreiben als eigenständige Funktion empfunden, und dann hatte es irgendwann seine Richtigkeit. Natürlich bleiben zwei Seelen in meiner Brust, aber ich bin auch ein großer Verfechter für die Stärkung der Rechte der Drehbuchautoren – so wie in Amerika. Billy Wilder hat gesagt: „Was macht einen guten Film aus? Ein gutes Buch, ein gutes Buch, ein gutes Buch!“. Als ich den Film zum ersten Mal gesehen hab’, war es eine interessante Seh-Erfahrung. Auf der linken Seite meines Kopfes hab’ ich den von mir geschriebenen Dialog gehört und rechts die Bilder gesehen – das musste sich erst angleichen. Ein Film wird ja dreimal erfunden: beim Schreiben, beim Drehen und beim Schnitt.

OÖN: Sie waren knapp 30 und schon Leiter der ORF-Jugendredaktion, warum haben Sie den ORF dann doch verlassen?

Sturm: Die Jugendredaktion ist unter Helmut Zeiler in der Programmredaktion aufgegangen, und ich hab’ ein tolles Angebot von Dolezal-Rossacher bekommen. Die beiden waren damals die private Filmakademie Österreichs. Ruzowitzky war dort und alle tollen Film- und Kameraleute, die heute in der Werbung und sonst wo erfolgreich sind. Ich blieb drei Jahre, das ist für diese Firma relativ lang, weil dort im Durchlauferhitzer gearbeitet wird. Ich hab’ viel gelernt, aber es war echt hart.

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