Preis für betonierte Leichtigkeit
Der Pritzker-Preis, quasi der Nobelpreis der Architekten, geht in diesem Jahr an die Japaner Kazuyo Sejima und Ryue Nishizawa. Die Gebäude des Duos, das bereits in den USA, in Japan, Frankreich, Deutschland oder in der Schweiz gebaut hat, verkörpern die höchste Stufe der Verfeinerung: nüchtern und meist ganz in Weiß.
1995 gründeten Kazuyo Sejima und Ryue Nishizawa in Tokio ihr Büro „Sanaa“. Seitdem bauen die beiden Minimalismus. Sie halten es mit dem großen Ludwig Mies van der Rohe und sind auf der Suche nach dem „Beinahe nichts“, wie sie es selbst bezeichnen. Sie meinen damit rein rationale Räume, emotionslos, klar – Räume, wie weißes Rauschen, Kartharsis-Architektur.
Jedes ihrer Designs hat seine eigene Dynamik. Mit einem innovativen Museumsbau („Museum O“) in Nagano kam das Nachwuchsteam erstmals im Jahr 1999 ins Gespräch. In atemberaubendem Tempo folgten Aufträge von lukrativen Modefirmen wie Prada für einen Shop in Hongkong und Dior für eine Filiale in Tokio (beide 2003).
Später bauten sie Kisten, abstrakt, leicht, weiß strahlend und arrangierten sie etwa beim Museum für die japanische Stadt Kazawa (2004) zu einer kreisförmigen Fläche – oder stapelten sie wie beim Museum of Contemporary Arts in New York (2007) leicht versetzt übereinander. Für die Serpentine Gallery in London verabschiedeten sich die beiden von ihrem Lieblingskubus und kreierten 2009 ein vergleichbar verspieltes Wolkendach auf zahnstocherdünnen Stützen, das in der Dämmerung mit dem Hyde Park verschmilzt.
Das dritte Duo
Die Pritzker-Jury wies darauf hin, dass erst zum dritten Mal in der Geschichte des seit 1979 vergebenen Preises ein Architekten-Duo ausgezeichnet wird. 2001 ging der Preis an die Schweizer Jacques Herzog und Pierre de Meuron, 1988 an den Brasilianer Oscar Niemeyer und seinen Kollegen Gordon Bunshaft.
„Ich habe danach gesucht, wie ich Architektur machen kann, die offen wirkt, etwas, was ich für wichtig für eine neue Generation an Architektur empfinde“, so Sejima. Unter den bisherigen Pritzker-Gewinnern sind drei Japaner. Der Architekturpreis wurde von dem Chicagoer Unternehmer Jay A. Pritzker und dessen Ehefrau Cindy gestiftet. Die Familie besitzt unter anderem die internationale Hyatt-Hotelkette. Zu den bisherigen Pritzker-Preisträgern gehören auch der Österreicher Hans Hollein, der 1985 ausgezeichnet wurde, der gebürtige Kanadier Frank Gehry, der Italiener Renzo Piano, der Niederländer Rem Koolhaas und der deutsche Architekt Gottfried Böhm. 2004 hatte mit der aus dem Irak stammenden britischen Architektin Zaha Hadid (sie baute etwa die Skisprungschanze am Bergisel) erstmals eine Frau den renommierten Preis erhalten. Im vergangenen Jahr wurde der Schweizer Peter Zumthor ausgezeichnet, der zuletzt bei der Linzer Kunst-Uni zu Gast war.
Eine dynamische Energie
Am 17. Mai wird der mit 100.000 Dollar dotierte Preis in New York überreicht werden. „Ich fühle mich geehrt und bin zugleich sehr überrascht“, sagte Nishizawa. „Jedes Projekt wird zur Motivation für mein nächstes neues Projekt. Auf dieselbe Weise hat dieser wundervolle Preis mir eine dynamische Energie verliehen, wie ich sie nie zuvor empfunden habe.“
Sejima war im vorigen November als erste Frau zur Leiterin der Architekturbiennale von Venedig (29. August bis zum 21. November 2010) ernannt worden.