„Ist meine Kleidung mehr als ich?“
Von der ORF-Hörspieljury wurde die Linzerin Chris Pichler zur Schauspielerin des Jahres gekürt. Am 27. Februar, 20 Uhr tritt sie mit Elfriede Jelineks Monolog „Jackie“ im Linzer Posthof auf.
Von der ORF-Hörspieljury wurde die Linzerin Chris Pichler zur Schauspielerin des Jahres gekürt. Am 27. Februar, 20 Uhr tritt sie mit Elfriede Jelineks Monolog „Jackie“ im Linzer Posthof auf. Im OÖN-Interview spricht Pichler über die Medienprinzessin und Gefährtin mächtigster Männer.
OÖN: Was lässt Elfriede Jelinek von Jackie Kennedy Onassis ausrichten?
Pichler: Sie beschreibt eine Frau, die in der Öffentlichkeit steht und versucht, eine Position zu transportieren. Sie betoniert sich ein, schafft sich eine Form aus Kleidern, hinter denen sie vielleicht verschwinden möchte, um sich etwas Privates zu bewahren. Gleichzeitig wird sie durch diese Form zu einer Ikone. Jelinek spielt mit Assoziationen, mit der Öffentlichkeit, was einem auf den Körper draufgeredet wird und der Mensch dahinter verschwindet eigentlich. Jackie vergisst vielleicht auch, wer sie selbst ist, deshalb werden auch die Fragen gestellt: Wer bin ich? Bin ich meine Kleidung? Ist meine Kleidung mehr als ich?
OÖN: War Jackies Kleidung auch eine Art Rüstung?
Pichler: Das kann man so sagen, in einer Textsequenz spricht sie zudem an, dass sie über Kleidung keine weiblichen Rundungen transportiert hat, sondern klare Formen: ein Quadrat, einen Kreis. Sie wollte sich in ihrer Weiblichkeit auch nicht festmachen lassen.
OÖN: Umgekehrt entstand optisch sehr wohl der Eindruck, dass sie sich als Frau definieren wollte.
Pichler: Genau, aber Jelinek schreibt etwa: „Sie wollte sich abheben von den langen Nerzen der Matronen.“ Sie wollte sich auch mit Schlichtheit von dieser Sexy-Generation unterscheiden.
OÖN: Von Jackie gibt es zwei Image-Versionen: die sich aufopfernde Frau und das berechnende Luder. Hat sich für Sie ein präziseres Bild erschlossen?
Pichler: Sie bleibt in dieser Waage, „schwimmend zwischen zwei Meeren. Ich hab’ doch viel erreicht, wer kann das schon?“ Manchmal klingt ihr Ton wie eine Rechtfertigung für etwas, das sie nicht geschafft hat. Sie hatte viele Anforderungen, etwa die jeweils untreuen Männer. Wenn man über diese Zeit auch ein bisschen Bescheid weiß, hat man großes Vergnügen, diese Ambivalenz in Jelineks Sprache wiederzufinden. Ich hatte sie als weiß gekleidete Frau in Erinnerung, freundlich, aber unnahbar. Jelinek lässt ihr diese Unnahbarkeit, sie will nichts hineingeheimnissen.
OÖN: Warum haben Sie sich beim Bühnenbild für einen hohen Kindersessel entschieden?
Pichler: Das war meine Idee, weil das genau das Thema ist. Sie sagt: Ich bedecke einen ganzen Platz. Das ist demnach dieser kleine Mensch, der in diese großen Zusammenhänge der Welt gestoßen wird und damit umgehen muss und sich damit auch vergrößert. Dieses „Wer bin ich?“ als Persönlichkeit, und ich muss so eine große Position einnehmen, auf einem so großen Thron sitzen und damit einen Umgang finden. Dabei bleibt sie immer diejenige, die sie ist und nur größer erscheint. Ich wollte so ein großes Herrschaftszeichen setzen und rede von oben herab – dadurch erscheint man auch klein.
OÖN: Elfriede Jelinek wählt mit Bedacht aus, wer ihre Texte spricht. War es ein Problem, die Rechte dafür zu bekommen?
Pichler: Gar nicht, Frau Jelinek hat mir sogar beim Verlag dabei geholfen, dass ich das machen darf.
OÖN: Haben Sie sich mit Frau Jelinek auch getroffen?
Pichler: Ja, wir waren abendessen, und es war sehr nett, aber auch distanziert – auf eine sehr höfliche Weise. Ich hab’ mehr zugehört, was soll ich da auch großartig reden?