"Zwei Liegende" sind auferstanden

14.Februar 2018

Der Linzer Anwalt Bruno Binder hat in seiner langen Karriere viel erlebt. Der Besuch eines Kollegen am 15. Jänner in seiner Kanzlei hat dann aber doch ein gewisses Alleinstellungsmerkmal. Mit den Worten "Herr Kollege, ich hätte da ein verspätetes Weihnachtsgeschenk für Sie" übergab er Binder ein Werk von Gustav Klimt.

Die Zeichnung "Zwei Liegende" des großen Meisters hat eine besondere Geschichte, sie ist Teil eines jahrelangen Millionen-Rechtsstreits um vier verschollene Bilder – eines von Klimt und drei von Egon Schiele –, der jetzt zum Kriminalfall mutiert ist. Die Geschichte rund um das mysteriöse Verschwinden geht in die 1950er-Jahre zurück und könnte nicht besser erfunden sein.

Klimt-Werk in Kasten versteckt

Die im Dezember des Vorjahres verstorbene und 1977 pensionierte Sekretärin der Neuen Galerie Linz (heute Lentos) macht Walter Kasten, den damaligen Leiter des Museums, darauf aufmerksam, dass insgesamt drei Leihgaben der Linzer Künstlerin Olga Jäger aus dem Jahr 1951 nicht entsprechend dokumentiert seien. Kasten verlangt von ihr, niemanden darüber zu informieren. Er "schenkt" ihr als "Schweige-Prämie" das Klimt-Bild "Zwei Liegende" – irgendwann zwischen 1964 und 1973.

So steht es in der letztwilligen Verfügung der Verstorbenen, die der Anwalt gemeinsam mit dem Klimt-Bild an Bruno Binder, der die Stadt Linz in der Rechtssache vertritt, übergeben hat. Dabei war man unwissentlich schon einmal ganz nah an der Lösung des Rätsels. Binder: "Wir haben natürlich bei allen ehemaligen Mitarbeitern der Neuen Galerie nachgeforscht und waren auch bei der nun Verstorbenen. Sie gab an, dass sie nichts über den Verbleib des Bildes wisse."

Die Wahrheit ist eine andere, denn zu diesem Zeitpunkt hängt "Zwei Liegende" im Wohnzimmer der Frau. Sie versteckt es in einem Kasten und informiert einen Rechtsanwalt. Beide verfassen die nun bekannt gewordene letztwillige Verfügung, in der unter anderem festgehalten ist, dass das Klimt-Bild nach ihrem Tod an die Stadt Linz zurückgegeben wird.

Aus dem Rätsel ist ein Kriminalfall geworden: Die Staatsanwaltschaft hat Ermittlungen über den Verbleib der restlichen Bilder angeordnet. Dies ist im Sinne der Stadt Linz, die bereits 8,3 Millionen Euro an Olga Jägers Erben zahlen musste. Das nun aufgetauchte Bild ist mit einem Schätzwert von 66.000 Euro das mit Abstand billigste der vier Werke.

Die Stadt Linz will "Zwei Liegende" nun bei der – passenderweise – am Freitag im Lentos eröffneten Ausstellung "1918 – Klimt, Moser, Schiele" präsentieren. Und dann gegen die Rückzahlung von 66.000 Euro den Erben der Olga Jäger zurückgeben.

Ausgestanden ist der Fall nicht: Die Stadt Linz strebt eine Wiederaufnahme wegen Verjährung an. Die nächste Tagsatzung am Landesgericht Linz ist am Freitag. Bruno Binder: "Unsere Chancen haben sich jetzt jedenfalls verbessert." Auch der Linzer Bürgermeister Klaus Luger wittert Morgenluft: "Sie wissen ja, was zuletzt stirbt." (att)

Der Fall Olga Jäger

 

8,3 Millionen Euro hat die Stadt Linz im Rechtsstreit gegen die Erben von Olga Jäger an Schadenersatz bezahlen müssen, weil vier von Jäger an die Stadt verliehenen Bilder verschollen waren. Neben „Zwei Liegende“ von Gustav Klimt sind das noch das Ölgemälde „Tote Stadt“, das Aquarell „Junger Mann“ und die Zeichnung „Paar“, allesamt von Egon Schiele.

Wo sind drei weitere Bilder?

Die Suche nach den Schiele-Werken wird dadurch erschwert, dass sie nur auf einem Leihschein vermerkt sind, allerdings ohne bildliche Ansicht. „Man weiß also eigentlich gar nicht, wonach man suchen soll“, sagt der Linzer Kulturdirektor Julius Stieber.

Der Linzer Anwalt Alfred Jäger ist einer von drei Söhnen Olga Jägers. Er sagt zum Auftauchen des Klimt-Bildes: „Ich bin sehr überrascht, das war nicht zu erwarten. Ich finde es interessant, dass der Linzer Bürgermeister sagt, er will das Bild bei der Ausstellung im Lentos zeigen, ohne uns Erben zu fragen.“