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Wonach das Paradies hungert

Von Peter Grubmüller, 25. Oktober 2016, 00:04 Uhr
Wonach das Paradies hungert
Nadine Breitfuß, Carina Werthmüller und Björn Büchner sind ab heute in „paradies hungern“ zu sehen. Bild: Petra Moser

Der gefeierte Steyrer Dramatiker Thomas Köck im OÖN-Interview.

Osnabrücker Dramatikerpreis, Else-Lasker-Schüler-Preis, Thomas-Bernhard-Stipendium, Kleist-Förderpreis – der Steyrer Dramatiker Thomas Köck hat in Wien und Berlin Philosophie und Literaturwissenschaften sowie Szenisches Schreiben studiert. Er ist erst 30, aber prominent ausgezeichnet und überall im deutschen Sprachraum werden seine Stücke gespielt. Heute erlebt sein "paradies hungern" – der zweite Teil seiner "Klimatrilogie" – in der Landestheater-Studiobühne seine österreichische Erstaufführung.

OÖNachrichten: Sie sagen über sich, Sie seien musikalisch sozialisiert. Inwiefern?

Thomas Köck: Ich bin durch das Spielen in Bands und dadurch entstandene Freundschaften erst zum Kunstbetrieb gestoßen. Bei anderen passiert das beim Fußball oder bei der Feuerwehr. Aber ich spiele Gitarre, aktuell nicht mehr in einer Band, aber meine Instrumente begleiten mich überall hin.

Wie unterstützt diese musikalische Vorbildung Ihr Schreiben?

Bei Theatertexten schreibt man für Stimmen, für Sprecher, im besten Fall für ein Orchester von Schauspielern, die Texte werden konzertiert. Prosa kann das nicht, sie wird ja meistens still gelesen, außer bei Dichterlesungen. Neben Lyrik sind Theaterstücke die musikalischste Form von Literatur.

Ihrer Klimatrilogie-Stücke sind jeweils mit "paradies" überschrieben – wie Ulrich Seidls "Paradies"-Filmtrilogie. Was verbindet Ihre Arbeit mit seiner?

Ich hatte es gar nicht auf diese Parallele angelegt, der Titel hat sich beim Schreiben des ersten Stücks ergeben. Es heißt "fluten" und es war auch gegen eine apokalyptische Rhetorik gerichtet. Botho Strauss sprach etwa davon, dass unser Paradies geflutet sei – und ich dachte: Hä? Daraus entstand der Titel "paradies fluten" und ich ahnte, dass in einem einzigen Text nicht aufgeht, was ich alles sagen möchte. Mit diesem Wort "paradies" wird den Leuten verklickert, dass die drei Stücke zusammengehören, was sich nicht gleich erschließt.

Von welchem Klima schreiben Sie in Ihrer Trilogie?

Dieser Begriff ist auf einem riesigen semantischen Feld unterwegs. Es geht unter anderem um das gesellschaftliche Klima in einer leerlaufenden, überhitzten Ökonomie. Wie wirkt sich diese andere Natur auf den Menschen aus, der sich möglicherweise in eine Individualisierung flüchtet, weil es ihm hilft, diese Welt zu begreifen? Wenn man über Klima-Problematik nachdenkt, landet man auch bei der Selbstausbeutung, bei Rohstoffausbeutung – und man wird selbst zu nichts anderem als zu Rohstoff. Die Begriffe Natur und Kultur verschwimmen. Gleichzeitig befinden wir uns in einem Klima der Angst. Ich stelle die Frage, was das alles bedeutet.

Worauf haben Ihre Figuren im aktuellen Stück Hunger?

Die weltweite Krisenstimmung hungert nach Bestätigung ihrer Ängste, dazu braucht man Bilder, die diese Ängste belegen. Es entsteht die Wechselwirkung, worauf die Menschen Hunger haben: nach Orientierung, nach einer Art von Sinn. Gleichzeitig bleibt die Frage, wonach das Paradies hungert.

Wie erleben Sie den Hype um Ihre Arbeit?

Ich nehme das gar nicht so wahr. Ich freu' mich zunächst, dass meine Texte gespielt werden. Das Verwirrende an diesem Zustand ist, dass man gesagt bekommt, dass das eher die Ausnahme sei – obwohl die Texte ja dazu da sind. Ich fühle mich schön bestätigt und mache einfach weiter.

Hatten Sie in Steyr eine Art Erweckungserlebnis fürs Theater?

Ich war eher einer von den Klassenclowns. Bei mir hat sich Sprache eben über Musik erschlossen. Für die Schülerzeitung haben wir etwa ein Interview mit Dirk von Lowtzow, dem Sänger von Tocotronic, geführt. Das war absurd, weil wir 16 und keine Journalisten waren. Wir saßen zwei Stunden vor Konzertbeginn dort und warteten, ob man uns reinlässt. Bei Jelinek imponiert mir auch die Musikalität in der Sprache. Als uns der Deutschlehrer in Steyr einen Jelinek-Text vor den Latz geknallt hat, war für mich der Inhalt vorerst gar nicht da, aber der Sound war toll. Wenn ein Sänger in seinen Texten "Ich" sagt, ist es etwas anderes, als würde ich "Ich" sagen – diese Differenzen sind mir auch in der Literatur wichtig.

Kommen Sie aus einem künstlerischen Umfeld?

Gar nicht, mein Vater ist Tischler, meine Mutter arbeitet in einer Bank – und sie haben mich einfach leicht verwirrt machen lassen.

Schauspiel: "paradies hungern", von Thomas Köck, Österr. Erstaufführung, Premiere: heute, 20 Uhr, Landestheater-Studiobühne Promenade, Termine: 29. 10., 3., 5., 11., 12., 16., 18., 29. November. Karten/Info, Tel: 0800 218 000.

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1  Kommentar
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( Kommentare)
am 25.10.2016 21:06

Den Kerl mag ich, der ist nicht verwirrt, sondern traut sich größere Zusammenhänge zu denken, unzensuriert mit Kausalitäten zu spielen und die Merkwürdigkeiten der Überzivilisation herauszuarbeiten.
Hat er doch nicht nur die laufende Wertedebatte in künstlerische Form gebracht, sondern noch darüber hinaus spähende Blicke in die Zukunft geworfen und den schwindenden Wert des einzelnen Menschen vorweggenommen. Ein stabiler Mensch mit Kontakt zu seinem Innersten, gut so.

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