Wie der Ratschenbub aus Ebensee erwachsen wird
"Und in der Mitte, da sind wir": Doku über Heimat und Jugend.
Ein dicht wuchernder Wald, in dem das Grüne ins Braune verläuft, umzingelt einen Weg, der vom Schatten verschluckt wird – mit starken Bildern wie diesen verführt der junge Gmundner Regisseur Sebastian Brameshuber das Publikum seines Dokumentarfilms "Und in der Mitte, da sind wir" zum Hinschauen.
Wie so oft in seinem Film nutzt er in dieser ersten Einstellung die Kraft des Visuellen, um an mehrere Themen anzuknüpfen: an die Idylle, die in Fadesse kippt, an die Zukunft, die auf dem Lebensweg im Dunklen liegt, und an die Geschichte eines Ortes, die die Bewohner immer wieder einsaugt, wie ein schwarzes Loch.
Greifbar und lebensnah machen diese Themen drei Jugendliche aus dem Ort Ebensee, in dem 2009 die Störaktion junger Menschen während der alljährlichen NS-Gedenkfeier in einem gerichtlichen Nachspiel endete.
Brameshuber erzählt in seiner auf der Berlinale 2014 uraufgeführten Doku von Träumen, Entwicklung und Selbstfindung seiner Protagonisten. Ganz nah ist man dabei – bei Küchengesprächen mit Eltern, Beratungen mit Lehrern und ausgelassenem Dasein zwischen Michael Jackson, Doc Martens, Ratschen-Brauch und Lästereien. Der Umgang mit der NS-Vergangenheit wird anhand des Vorfalls 2009 dazwischen in emotionalen, moralischen und juristischen Aspekten diskutiert. Noch viel mehr aber flammen die anstrengenden Fragen des jungen Lebens immer wieder auf: Wer bin ich? Wer will ich sein? Was will ich tun? Brameshuber spielt dabei gekonnt typische Gebärden der Rebellion, Geschlechterrollen und elterlichen Liebe gegen Sprach- und Planlosigkeit aus, ohne zu verurteilen. In Ruhe entfaltet sich die Kraft, in den Zuschauern Erinnerungen an den eigenen Weg aufkommen zu lassen.
Somit gelingt das Kunststück, in der Heimat verwurzelt zu bleiben und allgemein eine Menschwerdung nachzuzeichnen.
Und in der Mitte, da sind wir: A 2013, 85 Min., S. Brameshuber
OÖN Bewertung:
Der Regisseur: Die Idee, einen Film über das Erwachsenwerden von Jugendlichen in Ebensee zu drehen, kam Sebastian Brameshuber bereits 2009. Während eines Drehs in Istanbul erfuhr der Gmundner (1981*) aus türkischen Medien, wie Jugendliche die alljährliche Gedenkfeier in Ebensee störten. Öffentliche Kategorisierungen dieses Ereignisses wie „Lausbuben-Streich“ oder „Neo-Nazi-Aktion“ griffen ihm zu kurz. Er stieg gedanklich einen Schritt zurück und stellte für seine Doku die Frage: „Wie wachsen Jugendliche in einem Ort wie Ebensee auf?“
Tour: Heute feiert sein Film Premiere im Moviemento Linz, 20 Uhr. Es folgen:
Kino Ebensee: 12. 6., 20 Uhr
Kino Gmunden: 13. 6., 20 Uhr
Lichtspiele Lenzing: 14. 6., 20.15 Programmkino Wels: 17. 6., 19 Uhr. Brameshuber wird bei jedem Termin anwesend sein. Allgemeiner Kinostart: Fr., 13. 6.