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Wenn sich das Grauen seinen Weg in das ganz normale Leben bahnt

Von Lukas Luger, 11. November 2017, 00:04 Uhr
Wenn sich das Grauen seinen Weg in das ganz normale Leben bahnt
Mehr als 20 Millionen Exemplare von "Girl On The Train" verkaufte sie. Bild: Blanvalet

Paula Hawkins: Mit ihrem Debütroman "Girl On The Train" landete die Britin einen überraschenden Welterfolg, mit ihrem Thriller "Into The Water" legt die 45-Jährige nach.

20 Millionen Mal verkaufte sich ihr Debütroman "Girl On The Train", mit Emily Blunt in der Hauptrolle wurde er verfilmt. Im Nachfolger "Into The Water" erzählt Paula Hawkins die verschachtelte Geschichte der ungleichen Schwestern Jules und Nel, deren Schicksal untrennbar mit einer mysteriösen Flussbiegung verknüpft ist.

 

OÖN: Die Arbeit an "Into The Water" haben Sie noch vor der Veröffentlichung von "Girl On The Train" begonnen. Wie schwer war es, Buch Nummer 2 zu vollenden, während gleichzeitig das Debüt zum überraschenden Weltbestseller avanciert?

Paula Hawkins: Leicht war es nicht. Für "Into The Water" hatte ich mir diese große Palette an neuen Charakteren ausgedacht, in deren Psyche ich vollends eintauchen wollte – und dann musste ich ständig über "Girl On The Train" und die Hauptfigur Rachel reden. Der Schreibprozess war daher extrem fragmentiert und nahm viel mehr Zeit in Anspruch, als ich dachte. Daran werde ich mich wohl gewöhnen müssen. Ich will mich aber wirklich nicht beschweren, das ist ein echtes Luxusproblem.

Fühlten Sie Druck, einen weiteren Bestseller abzuliefern?

Nach dem gigantischen Erfolg von "Girl On The Train" stand ich nicht nur plötzlich in der Öffentlichkeit – was meiner Persönlichkeit nicht wirklich entspricht –, sondern ich begann auch mich zu hinterfragen. Den Druck habe ich mir selbst auferlegt, mein Verleger hat mich in Ruhe gelassen. Ich habe versucht, mich einzig auf den Plot, die Charaktere zu fokussieren und den ganzen Rest auszublenden.

Neben dem Schwesternpaar Jules und Nel steht im Mittelpunkt von "Into The Water" der "Drowning Pool", eine verwunschene Flussbiegung, wo über die Jahrhunderte bemerkenswert viele Frauen umgekommen sind. Woher speiste sich die Inspiration für diesen Schauplatz?

Dass ich über diese Schwestern und ihr kompliziertes Verhältnis, schreiben wollte, wusste ich bald. Familiäre Dramen und wildes Wasser – das war eine Verbindung die ich aus irgendeinem Grund nicht mehr aus dem Kopf brachte. Der Ort sollte eine düstere, ja gespenstische Aura verströmen. Es gibt viele Ortschaften in England, etwa in Northumberland an der Grenze zu Schottland, von denen es heißt, dort sei eine Hexe verbrannt worden. Das packte mich, ebenso wie die mittelalterliche Praxis des "Gottesurteils", als tausende Frauen ertränkt wurden. Aus diesem Themengemenge kristallisierte sich die Story heraus.

Erzählt wird diese mittels einer Vielzahl an Charakteren, eine Aura des Übernatürlichen zieht sich durch das Buch. Sind Sie ein großer "Twin Peaks"-Fan?

Oh ja, ich war ein Riesenfan der Originalserie, die in den 90ern lief. Bei den neuen "Twin Peaks"-Folgen fühlte ich mich dagegen etwas verloren. Ich liebe diese spezielle Atmosphäre, die David Lynch kreiert hat. Für "Into The Water" habe ich mir ein Reißbrett gekauft, gespickt mit Post-Its zu den einzelnen Charakteren. Ich dachte, das sei eine Spitzenidee, um nicht den Überblick über den Plot zu verlieren und gemütlich alles auf die Reihe zu bringen. Falsch gedacht (lacht)! Bei meinem nächsten Buch gibt’s garantiert weniger Hauptfiguren. Mehr darf ich aber nicht verraten, sonst bringt mich mein Agent um.

Worin bestand der fundamentalste Unterschied im Schreiben über eine dysfunktionale Geschwisterbeziehung im Gegensatz zu einer verkorksten Liebesbeziehung wie jene, die in "Girl On The Train" skizziert wird?

Jede familiäre Beziehung, egal ob zwischen Eltern und Kindern oder zwischen Geschwistern, ist wahnsinnig prägend für unsere Persönlichkeit. Das sind die ersten Menschen, die wir lieben und mit denen wir uns streiten. Sie bestimmen, welche Art von Mensch wir später werden, insbesondere wenn die Beziehungen kompliziert sind. Auch sind diese Beziehungsstrukturen noch viel hartnäckiger als romantische. Von einem Ehemann oder Freund kann man sich bedeutend leichter trennen als von seiner Familie. Als Autorin finde ich das Alltägliche extrem spannend.

Also wird’s von Ihnen wohl keine Bücher über Spione geben?

Mich interessiert, wie Leute, die ein normales Leben leben, plötzlich in außergewöhnliche Situationen geraten, wie Existenzen in Frage gestellt werden. Das fasziniert mich, da schlummern die interessantesten Geschichten. Und die erschreckendsten! Denn dass Spione gefährlich leben, ist ja bekannt, dass auch eine Zugfahrt gefährlich sein kann, daran denkt niemand.

Ihren Büchern ist gemein, dass sie von unzuverlässigen Ich-Erzählern erzählt werden. Haben Ihre Bücher in unserem politischen Klima, in dem Fakten eher als lästig denn als notwendig empfunden werden, einen politischen Unterton bekommen?

Beim Schreiben kam mir dies nicht in den Sinn, im Nachhinein erkenne ich aber diesen politischen Subtext. Unser Verhältnis zur Wahrheit ist schwer gestört. Die Menschen sind nicht länger an konkreten Fakten interessiert, sondern nur noch an Geschichten, die sich bequem in ihr Weltbild einpflegen lassen. Exakt dies tun auch meine Ich-Erzähler. Sie erinnern sich falsch, vergessen unbewusst Dinge und basteln sich Narrative, die sie positiv dastehen lassen.

Paula Hawkins: "Into The Water", Blanvalet, 480 Seiten, 15,50 Euro

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