Wenig Konzept, beste Musik
Bad Ischl: Sänger und Orchester überzeugten in der Operette "Die Rose von Stambul" (1916), die historisch fast unkommentiert blieb.
Welche Aufgaben hat die Unterhaltungsindustrie in Kriegszeiten? Im Wesentlichen zwei: Propaganda oder Ablenkung. Und das war bei Leo Falls Operette "Die Rose von Stambul" (mehr in der Box), am 2. Dezember 1916 während des Ersten Weltkriegs uraufgeführt, nicht anders. Am Samstag feierte sie beim Lehár Festival in Bad Ischl Premiere.
Einerseits träumte man zur Entstehungszeit dieser Operette noch vom alten Wien, andererseits legten die Librettisten Julius Brammer und Alfred Grünwald die Geschichte bewusst in die neutrale Schweiz und in die damals noch als "exotisch" betrachtete Türkei. Diese zwang allerdings gerade unter Kemal Atatürk auf der Halbinsel Gallipoli den Ersten Lord der Admiralität zum Rücktritt, Winston Churchill. Ebenso historisch interessant: Es gab auch eine Protestnote des Osmanischen Reiches gegen Österreich-Ungarn, in der die Handlung heftig kritisiert wurde, weil sie den islamischen Glauben lächerlich mache. Geschuldet mag dies dem Thema Frauenrechte sein, steht Zwangsheirat doch im Zentrum der Operette. Ein propagandistisches Gastspiel 1917 untersagte die türkische Zensur sogar. Normalerweise geht Regisseur Leonard Prinsloo auf solche Umstände ein, rückt das Stück ins korrekte Licht. Doch die Inszenierung in Bad Ischl lässt das Werk fast unkommentiert. Ebenso unerklärlich: in Kostümen der 70er zu spielen und so zu tun, als wäre das, was zu sehen ist, niedlicher Klamauk.
Doch 2016 und angesichts der Situation im Nahen Osten ist das doch heikel. Das Thema Zwangsheirat ist zudem hochaktuell. Bezüge zur Emanzipation der Flower-Power-Generation wären diesbezüglich mehr als gefehlt... Dennoch: Su Pitzek und Barbara Häusl schufen eine stimmige Dekoration, in der das teilweise langatmige Spiel musikalisch herausragend umgesetzt wurde.
Allen voran Marius Burkert, der mit dem Orchester die einfallsreiche Partitur fein erarbeitet und das Ensemble bestens geführt hat. Die aktive wie unglaublich gewandte Ilia Vierlinger avancierte als Midili zum Spiel- und gekonnten Spaßmacher und intonierte überzeugend ihre "Schlager".
Mit lyrischer Stimme
Nicht minder agil Thomas Zisterer als Fridolin. Gekonnt sein glamourös-komischer Auftritt als mit Frauenkleidern getarnter Entführer aus dem Harem. Maya Moog überzeugte als Kondja Gül, als Rose von Stambul. Sie gestaltete die emanzipierte Pascha-Tochter sehr eindringlich und begeisterte mit lyrischer Stimme. Alexandru Badea ist als lyrischer Tenor europaweit erfolgreich, als Achmed Bey spielte er glaubwürdig, musste aber die melodiösen Phrasen deutlich stemmen. Thomas Kovacic (Kamek Pascha), Gerhard Balluch (Müller senior) und die kleineren Rollen waren fein besetzt, sodass das Musikalische für das etwas enttäuschende Nichtkonzept entschädigte.
Bad Ischl: Leo Falls "Die Rose von Stambul", 23.7.
OÖN Bewertung:
Zum Stück
Zum Inhalt: Achmed Bey, Nachfahre eines türkischen Politikers, betätigt sich als „André Lery“ als Schriftsteller. Kondja Gül, Tochter von Kamek Pascha, schwärmt für sein Werk. Ihr Vater aber
vermählt sie mit Achmed Bey. Kondja flüchtet in die Schweiz, um Lery kennenzulernen...
Termine: 28. 7.; 6., 11., 20., 25. 8.; 3. 9.: je 20 Uhr; 31. 7., 17., 28. 8.: je 15.30 Uhr.
Karten: 06132/23839