Welser-Möst: Voll brennender Emotionalität
Auch im zweiten Konzert des Cleveland Orchestra beim Brucknerfest verfolgte Franz Welser-Möst seine ungemein packende und von jeglicher romantischer Verkitschung weit entfernte Herangehensweise an die Musik von Johannes Brahms.
Auch im zweiten Konzert des Cleveland Orchestra beim Brucknerfest verfolgte Franz Welser-Möst seine ungemein packende und von jeglicher romantischer Verkitschung weit entfernte Herangehensweise an die Musik von Johannes Brahms. Was andere als Gefühlskälte bezeichnen, ist symphonische Wahrhaftigkeit.
Welser-Möst jagt nicht einem imaginären subjektiven Wunsch nach unschuldiger Sinnlichkeit nach, sondern legt ganz analytisch offen, welche Sprengkraft in dieser Musik steckt. Kein zahmer Antipode Bruckners, der vermeintlich unreflektierte Gefühlsduselei erfindet, sondern brennende Emotionalität in einem aufwühlenden Orchestersatz, der allerdings erst dann als solches begreifbar wird, wenn man nicht alles Widerborstige glattbügelt. Und trotz aller Aufgewühltheit verlassen der Dirigent und sein trotz aller Strapazen der Tournee bestens disponiertes Orchester nie den Pfad der Ästhetik, und das Bewusstsein, dass Attacke nicht Brutalität heißen muss und trotz aller Spannungsgeladenheit Ruhe genug vorhanden ist, auch die zartesten Farben zu zelebrieren, ohne die die ohnehin lyrische zweite Symphonie op. 73 nicht auskommen kann und darf. Grandios, wie sich aus dem verhaltenen Beginn des ersten Satzes ein vielschichtiger Kosmos entwickelt, wie elegant das Orchester das Allegretto grazioso tänzeln lässt und wie impulsiv sich das Finale zur strahlenden Größe entwickelt. Und das wirkt alles absolut selbstverständlich.
Zwischen der Brahms-Symphonie und dessen "Tragischer Ouvertüre" op. 81 stand, wie auch beim ersten Konzert, ein Werk des deutschen Klarinettisten und Komponisten Jörg Widmann, der sich in seinem symphonischen Hymnus "Teufel Amor" von einem Fragment aus einem verschollenen Schiller-Gedicht inspirieren ließ. Das mehr als halbstündige Werk spielt mit extremen Gegensätzen. Gegensätze klanglicher Natur, aber auch Gegensätze in Bezug auf die innere Bewegtheit.
Brucknerfest: 2. Konzert des Cleveland Orchestra unter Franz Welser-Möst, Linzer Brucknerhaus, 17. 9.
OÖN Bewertung: 6 von 6 Sternen