Lade Inhalte...
  • NEWSLETTER
  • ABO / EPAPER
  • Lade Login-Box ...
    Anmeldung
    Bitte E-Mail-Adresse eingeben
    Bitte geben Sie Ihre E-Mail-Adresse oder Ihren nachrichten.at Benutzernamen ein.

gemerkt
merken
teilen

Weibliche Kraft an die Macht

Von Karin Schütze, 20. Oktober 2017, 06:34 Uhr

Als Europäerin mit orientalischen Wurzeln hat Timna Brauer die jüdische Musik im Blut, wie die französische. Mit "La Chanson" gastieren die Sängerin und ihr Mann, Pianist Elias Meiri, am 21. Oktober im Kulturschloss Traun.

Ihre Mutter ist Israelin, ihr Vater der Wiener Maler Arik Brauer. Sie selbst spricht Hebräisch, Französisch, Englisch und Deutsch. Ein Gespräch über Multikulturalität und die Kraft des Weiblichen.

"La Chanson" ist inspiriert von Frankreich, wo Sie sieben Jahre als Kind gelebt und später an der Sorbonne studiert haben. Was ist Ihre prägendste Erinnerung an diese Zeit?

Timna Brauer: Die ganze französische Kultur mit ihrer unglaublichen Literatur, in die ich das Glück habe hineingeboren zu sein. Bis heute schreibe ich meine Tagebücher auf Französisch, obwohl meine Muttersprache Hebräisch ist. Aber Französisch ist die Sprache, in der ich sozialisiert worden bin.

Hebräisch, Deutsch, Französisch – wie gehen Sie mit Ihren vielen Sprachen um, gibt es eine, in der Sie am liebsten singen?

Englisch kommt noch dazu. Arabisch hab ich viel in der Kindheit bei meinen Großeltern gehört. Ich verwende vier Sprachen im Alltag, switche ständig, aber das ist eine irrsinnige Bereicherung. Man ist jemand anderer vom Gefühlsleben, wenn man in einer anderen Sprache spricht. Emotional ist es Hebräisch, als Sprache des Herzens. Auf Französisch singe ich am liebsten, weil es so weich ist. Deutsch beherrsche ich im Moment am besten.

Das Gefühl der inneren Zerrissenheit hatten Sie nie?

Viele stellen mir diese Frage. Aber für Menschen, die so wie ich aufgewachsen sind, stellt sie sich überhaupt nicht. Man empfindet es eindeutig nur als Geschenk.

Mit der Sprache der Musik haben Sie etwas geschafft, das politisch unmöglich scheint. Ihr Projekt "Voices for Peace" hat Israelis und Palästinenser vereint. Wie schwer war es, dieses Projekt zu verwirklichen?

Am Anfang war das sehr mühsam und anstrengend, zwei Parteien zu finden, die nicht nur musikalisch gut sind, sondern auch miteinander können und wollen. Wobei ich nicht die Einzige bin, in Israel gibt es viele ähnliche Projekte. Es war kompliziert, aber ich bereue es nicht. Das Projekt gibt es zwar musikalisch nicht mehr, aber menschlich, weil die beiden Chöre nach wie vor befreundet sind. Diese kleine Oase des Friedens war es wert.

Stimmt es, dass Sie anfangs mehr Zusagen von Frauen bekommen haben?

Ja, das hat mich überhaupt nicht gewundert. Das Weibliche ist nun mal das Sanftere. Wir gebären Leben und ziehen nicht in den Krieg. Die letzten Jahrtausende wurden zu 99 Prozent von Männern regiert, und ich würde nicht sagen, dass der Planet gerade in einem guten Zustand ist. Ich würde mich wahnsinnig freuen, wenn die weibliche Kraft wieder an die Macht käme. In Israel war vor einigen Tagen, wie jedes Jahr, ein Frauen-Friedensmarsch. Araberinnen, Musliminnen, Jüdinnen, Palästinenserinnen und Israelinnen marschieren gemeinsam in Weiß von Jerusalem bis zum Toten Meer. Das ist möglich, weil es Frauen sind. Es tut mir leid, das ist die Wahrheit. Wir sind nicht die besseren Menschen, aber wir sind anders angelegt. Wir bringen das Leben nicht um, sondern her.

Konzerte für Kinder sind ein Schwerpunkt von Ihnen. Was möchten Sie ihnen vermitteln?

Bevor ich den Kindern etwas vermittle, vermitteln sie mir etwas. Ich wurde gefragt, ob ich etwas für Kinder im Programm habe. Ich habe "Ja" gesagt, obwohl ich nichts hatte. Das erste Mal habe ich gezittert, aber es war von der ersten Sekunde an so ein Strom zwischen den Kindern und mir. Wahrscheinlich, weil ich kinderliebend bin und sie das gespürt haben. Ich betrachte sie absolut auf Augenhöhe, hole sie auf die Bühne, wo sie dann die Stars sind. Heute ist es gang und gäbe, die Kinder einzubeziehen. Aber wie ich groß geworden bin mit dem Kasperl, waren wir nur passiv. Wir durften zuschauen, ein bisschen lachen und klatschen.

Das wollten Sie ändern?

Mir war es vor fast 30 Jahren schon ein Anliegen, die Kinder herauszufordern. Es ist unglaublich, wie sich ein Tiroler Kind mit einem Bauchtanz emotional verbinden kann. Bei den Kleinen. Über sechs werden die Hemmschwellen plötzlich viel höher, dabei sollte es umgekehrt sein. Die Schule sollte dazu da sein, aus den Kindern herauszulocken, was sie haben, nicht umgekehrt. Ich will ihnen diese Offenheit vermitteln, die ich als Kind auch erlebt habe. So viel wie möglich Barrieren und Vorurteile abbauen, durch exotische Klänge. "Kinderlieder aus Europa" ist ein Hauptprogramm von mir. Das gemeinsame Singen in verschiedenen Sprachen öffnet kleine Fenster zu anderen Kulturen.

Kann Kunst die Welt ein Stück besser machen?

Ich glaube, das ist die Rettung – Kunst und Kultur. "Voices for Peace" ist ein winziger Tropfen auf dem heißen Stein. Aber wenn viele, viele Menschen so ein Projekt machen… Es reicht, wenn man als Jude einen arabischen Freund hat. Wenn das jeder hat, wird dieser Krieg hoffentlich einmal aufhören. Es ist eine Frage des kollektiven Bewusstseins.

Gibt es ein Projekt, das Ihnen besonders am Herzen liegt?

Ich habe zum ersten Mal mit sehr viel Freude einen Soundtrack zu einem Film gemacht. Ein befreundetes Künstlerpaar hat in Vorarlberg in einem Kinderdorf zwei Monate lang Projekte zum Thema Heimat gemacht. Mit Kindern mit schwerstem Hintergrund – verprügelt, vergewaltigt, Flüchtlingskinder. Am Anfang war es unmöglich, sie zu zu irgendetwas zu motivieren. Aus dem Abschlussfest, bei dem alles präsentiert worden ist, ist ein Film entstanden, der unfassbar toll geworden ist (mehr oben). Dabei komme ich vor, in den Alpen im Dirndl mit einem Turban und afrikanischem Schmuck und jodle, auf meine Weise. Eine wilde Mischung. Etüden über das Jodeln sind ein Projekt, das ich auch auf CD vertiefen möchte.

****

In Traun: Am 21. Oktober sind Timna Brauer und Elias Meiri im Kulturschloss Traun zu Gast. „La Chanson“ vereint Lieder von Jacques Brel, Edith Piaf und Georges Brassens. Beginn: 20 Uhr, Karten: 07229 / 62032, www.kulturpark.at

Der Film „heimat–made in Schlins“ entstand 2017 als Kunst-und Bau-Auftrag aus Kunstprojekten über Heimat von Bele Marx und Gilles Mussard mit Kindern und Jugendlichen des Kinderdorfs Schlins in Vorarlberg. Der Soundtrack ist von Timna Brauer. Infos zum Film: www.belegilles.com

Leben: Timna Brauer (56) wurde in Wien geboren, wo sie Klavier und Gesang studierte. In Paris promovierte sie über „Die Stimme im Jazz“. 1985 gründet sie mit dem israelischen Jazz-Pianisten Elias Meiri (re.) ein Ensemble für Cross-over, Chansons, Kinderprogramme und vor allem Jüdische Musik. Von 2002 bis 2004 war sie mit der palästinensisch-israelischen Chor-Gruppe „Voices for Peace“ auf Tournee in Europa. 2004 gestaltete sie die Linzer Kinderklangwolke mit dem musikalischen Märchen „Die begeisterten Trommeln“.

mehr aus Kultur

Nach Diebstählen: Neuer Direktor für British Museum

Robert Schindel: "Ich bin nur durch ein Wunder auf der Welt"

Bürgermeister gestattet Aufsichtsräten Einsichtnahme in Kerschbaums Dienstvertrag

Terence Hill ist 85: Ein Leben zwischen Bombenangriffen, Verlusten und Bud Spencer

Lädt

info Mit dem Klick auf das Icon fügen Sie das Schlagwort zu Ihren Themen hinzu.

info Mit dem Klick auf das Icon öffnen Sie Ihre "meine Themen" Seite. Sie haben von 15 Schlagworten gespeichert und müssten Schlagworte entfernen.

info Mit dem Klick auf das Icon entfernen Sie das Schlagwort aus Ihren Themen.

Fügen Sie das Thema zu Ihren Themen hinzu.

0  Kommentare
0  Kommentare
Zu diesem Thema wurden noch keine Kommentare geschrieben.
Neueste zuerst Älteste zuerst Beste Bewertung
Aktuelle Meldungen