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Stolz auf seine Leber

21. Jänner 2017, 00:04 Uhr
Werner Schneyder
Werner Schneyder Bild: Jeff Mangione

Kabarettist Werner Schneyder wird am 25. Jänner 80. Ein Gespräch mit Bernhard Lichtenberger über Glaubenswahnsinnige, digitale Stammtisch-Lügen, Donald Trump und Angela Merkel.

In seinem aktuellen Buch "Gespräch unter zwei Augen" (Rezension auf Seite 7) führt Werner Schneyder den "Dialog eines Lebens". Am 11. Februar tritt der dann 80-jährige Kabarettist um 20 Uhr in der "Spinnerei" in Traun mit dem Kabarett/Chanson-Programm "Das war’s von mir" auf.

 

OÖNachrichten: Wenn Sie sehen, hören und lesen, was die Welt aktuell zu bieten hat – was heizt Ihr Denken bis zur Weißglut an?

Werner Schneyder: Die Tatsache, dass wir in der globalisierten Weltwirtschaft dem Crash zusteuern und die Mechanismen einer Abwehr oder Rettung nicht greifen, weil die Politik versagt und der Ökonomie vollkommen hörig ist, statt sie zu zügeln. Das Wort Verteilungsgerechtigkeit ist ja ein problematisches Wort, denn wer entscheidet, was gerecht ist? Verteilungsvernunft wäre gefragt. Dazu müsste es eine internationale Einigung geben, die es aber nicht gibt, weil die Nationalismen zu stark sind. Aber diese Weißglut ist ja schon seit ein paar Jahrzehnten mein Dauerzustand.

Versinken Sie nicht in Pessimismus?

Das müsste man, aber man darf nicht. Resignation ist eine unerlaubte Haltung.

Sie haben einmal gesagt, Kabarettist sei der einzige Beruf, in dem man alles ungestraft darf. Ein Jan Böhmermann, den der Zorn Erdogans traf, oder ein Dieter Nuhr, der es sich mit Salafisten verscherzte, sehen das wohl anders?

Mit ungestraft meine ich: vor dem Gesetz. Vor den Gangstern und Glaubenswahnsinnigen gibt es keine Sicherheit, auch nicht davor, dass einer einen auf der Straße niedersticht.

Muss man sich davor fürchten?

Man darf es nicht, denn das wäre ja der Triumph der pathologischen Fanatiker, zu denen die Salafisten gehören.

Nuhr hat kritisiert, Kabarett-Kollegen wagten es nicht, den Islam zu kritisieren.

Bei mir schaut das anders aus. Für mich ist eine Religion indiskutabel, die ihre Rechtslehre – also die Scharia – grundsätzlich über das Bürgerliche Gesetzbuch des jeweiligen Staates stellt.

"Postfaktisch" hat es zum deutschen Wort des Jahres gebracht – woran liegt es, dass mit Fehlinformationen und Lügen Politik und Meinung gemacht wird?

Das ist ein Rückschritt in der Evolution durch die sozialen Medien, die ich die asozialen Medien nennen möchte. Diese haben die Lüge, die Unterstellung, die Hetze zum Täglichen gemacht, und das wirkt sich natürlich auf die gesamte Gesellschaft aus. Dieser Stammtisch, der negativ begriffen wird, ist jetzt sozusagen weltbeherrschend. Diese asozialen Medien sind der dämonisierte, zum Giganten gewordene Stammtisch. Beim normalen Stammtisch hatte man ein Gegenüber, das anderer Meinung war. Allein die Tatsache, dass dieser neue amerikanische Präsident offenbar mittels dreizeiliger Wortmeldungen regieren möchte, macht einen krank.

Was sagt das über die Menschen aus?

Dass sich die Gesellschaft nur über Katastrophen reguliert. Für mich ist das, was in Social Media passiert, die mediale Sintflut. Wir müssen schauen, dass wir irgendeine Arche Noah finden, die uns aus dieser Sintflut führt – etwa, indem man jene, die sich an dieser Meinungsmache beteiligen, nicht mehr berücksichtigt. Die muss man ausgrenzen. Aus meinem privaten Bereich darf ich Ihnen sagen, dass ich eine Frau und einen Sohn habe, die mir immer sagen wollen, in diesem – wie heißt es? – Facebook steht Folgendes über dich. Ich verbiete es ihnen, mir das zu sagen, denn was dort über mich steht, existiert für mich nicht. Ich sehe nicht ein, dass ich in eine Dusche gehen soll, in der ich nur angebrunzt werde.

Wie erklären Sie sich Donald Trump?

Solche Figuren werden gewählt, wenn die Politik rundum versagt und das Gros der Menschen völlig zu Recht der Meinung ist, dass es vernachlässigt und nicht gleichberechtigt human behandelt wird.

Rechtfertigt das seine Wahl?

Darf ich einen Vergleich versuchen: Die Krebskranken im letzten Stadium fallen irgendwelchen kriminellen Heilpraktikern herein – das ist naturgesetzlich. So einfach ist es wahrscheinlich.

Befinden sich auch die Österreicher im Endstadium?

Da die Österreicher im Unterschied zu den Amerikanern ein Kulturvolk sind, gibt es doch immer ein paar bremsende Elemente. Österreich hat auch den Vorteil, ein Kleinstaat zu sein. Wenn in Großmächten etwas ins Rollen kommt, ist es nicht aufzuhalten.

Was ging Ihnen damals durch den Kopf, als Angela Merkel "Wir schaffen das" sagte?

Das war eine Mischung aus Bewunderung für den Mut und einer großen, sofortigen Skepsis über die Naivität. Bei allem Respekt vor ihrem politischen Talent: Das war eine sehr weibliche Reaktion – dass sich die Mutter der Nation quasi zur Mutter des Globus aufschwingt. Wenn ich da nicht mitbedenke, dass ich damit eine nicht auszubalancierende Situation schaffe, dann habe ich zu kurz gedacht. Jetzt sind alle auf der richtigen Schiene: Asyl ja, Integration ja, aber im Rahmen der Machbarkeit.

Sind Kabarettisten gescheiter als Politiker?

Nein, aber sie haben einen anderen Gesichtspunkt. Es gibt selbstverständlich auch strohdumme Kabarettisten und gescheite Politiker.

Sie gehen gerne auch mit Künstlerkollegen scharf ins Gericht. Was stört Sie an Thomas Bernhard, Elfriede Jelinek und André Heller?

Der Heller ist ein genialer Agent, und seine Agentur vertritt den Heller. Und der hat selber nichts zu bieten und bewegt sich außerhalb der Kunst. Das ist ein groß angelegter Bluff. Der Bernhard und die Jelinek haben einen unglaublichen Schreibantrieb, bei denen literarische und politische Wertungen fällig wären.

Halten Sie Jelinek für eine unverdiente Literatur-Nobelpreisträgerin?

Der Literatur-Nobelpreis ist an so viele Leute verliehen worden, die keine erstklassige oder überhaupt erträgliche Literatur produzieren, dass es schon vollkommen wurscht ist.

Und Thomas Bernhard?

Für einen Menschen wie mich muss er ein Feindbild sein, weil er totalitär ist. Er macht das nicht, was Satire machen muss, nämlich differenzieren. Kritisieren heißt differenzieren. In dem Moment, in dem man sagt: die Österreicher, die Katholiken, die Frauen – wenn es diese undifferenzierten Summierungen gibt, dann ist das faschistoid. Und Thomas Bernhard ist für mich ein literarischer Faschist.

Am 25. Jänner feiern Sie Ihren 80. Geburtstag. Was ist das Gewinnbringende am Älterwerden?

Die Zufriedenheit, dass man schon so lange gelebt hat.

Malen Sie sich ein Ende aus?

Ich habe einen Standardsatz: 80 ist Pflicht, der Rest ist Kür.

Wie legen Sie diese an?

Indem ich mich gut unterhalte, mit Arbeiten, Streiten, Essen und Trinken.

Worauf in Ihrem Leben sind Sie stolz?

Dass ich immer noch eine erstklassige Leber habe, was meinen Arzt verwundert. Er sagte, ich spräche der Schulmedizin Hohn, weil man bei meiner Art zu leben eine so intakte Leber nicht haben könne. Ich bin ein großer Konsumierer, da fällt etwa das Genussmittel Wein darunter.

 

Zur Person

Werner Schneyder, am 25. Jänner 1937 in Graz geboren, wuchs in Klagenfurt auf. Mitte der 70er-Jahre verbündete er sich für fünf Programme mit dem deutschen Kabarett-Star Dieter Hildebrandt. Der Mostdipf-Preisträger wurde vielfach ausgezeichnet, u.a. mit dem Nestroy-Ring der Stadt Wien und dem Salzburger Lebensstier. 2012 erhielt der Kabarettist und Autor das Ehrenkreuz für Wissenschaft und Kunst I. Klasse.

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1  Kommentar
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buchbinder59 (694 Kommentare)
am 22.01.2017 19:40

Wie recht der Schneider hat - Populisten werden gewählt, wenn die Politik versagt.
Siehe Trump - und in Österreich wird das auch kommen. Nach der Selbstzerfleischung von SPÖ und ÖVP. Das war in dem 30 gern genauso - und als sie merkten wo der - gemeinsame - Feind = die Nazis ist, war es schon längst zu spät.

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