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So teuflisch religiös war der Hausruck

Von Irene Gunnesch, 02. Mai 2012, 00:04 Uhr
So teuflisch religiös war der Hausruck
Von Sekte gehetzt: Dienstmagd Therese (Eva Allenbach, li.) mit Seherin Magdalena Sickinger (Elke Pusl) Bild: (gruppefilmkunst)

Die Angst vor dem unausbleiblichen Tod war schon immer ein gutes Werkzeug, um Menschen in Abhängigkeiten und Fanatismus zu treiben. Heute, 2. Mai, 20 Uhr, hat der Film „Das falsche Herz“ von Cajetan Jacob im Star-Movie Regau Weltpremiere.

Der Schörflinger Regisseur thematisiert darin die im 19. Jahrhundert im Hausruck aktiv gewesene radikale Sekte der Pöschlianer.

OÖN: Wie sind Sie eigentlich auf diese Thematik der Pöschlianer gekommen?

Cajetan Jacob: Durch das Heimatbuch von Schörfling. Es gibt da eine kleine Passage, in der von einer Frau die Rede war, die von einer Sektenkollegin im Flug aus dem Gefängnis von Reibersdorf befreit werden sollte. Das hat mich interessiert, weil das aus der sonst eher sehr gemächlichen Geschichte von Schörfling so eklatant herausgestochen ist.

OÖN: Forschen Sie für Ihre Filme generell gerne in Heimatbüchern?

Cajetan Jacob: Nein, gar nicht, das war reiner Zufall. Ich bin zwar schon geschichtsaffin, aber in meiner Stoffsuche nicht speziell auf meine nähere Umgebung festgelegt.

OÖN: Gab es dann so etwas wie einen Knackpunkt, der Ihnen den Impuls zur filmischen Verarbeitung des Themenkreises gegeben hat?

Cajetan Jacob: Das geschah eher schleichend. Meine Recherche vermittelte mir, wie sich diese unheimliche Sache subtil und langsam entwickelt hat. Von harmlosen Versammlungen bis hin zu Menschenopfern. Das hat mich schon beim Lesen fasziniert. Ich hatte ja keine Ahnung, dass diese Bewegung dermaßen kulminiert ist. Zu den größten Religionsunruhen im Oberösterreich des 19. Jahrhunderts!

OÖN: Es gibt ein Statement von Ihnen, demzufolge menschliche Dummheit allüberall gegenwärtig sei. Worin zeigt sich das Ihrer Meinung nach besonders? In dieser Verführbarkeit? Begründet in der Angst vor dem Tod?

Cajetan Jacob: Ja. Wir brauchen ja nur an die Furcht vor den Islamisten zu denken oder – erst kürzlich in Oberösterreich – an die Situation in Kopfing. Jede Religion, die in Bewegung ist, bringt auch Fundamentalismus hervor. Wesentliche Werkzeuge dafür sind Angst und Schuld. Pöschl hat dafür ein eigenes Herzbüchlein verwendet: grausliche Schaubilder, mit denen er den Menschen die Angst vorm Teufel einhämmerte.

OÖN: Der Hausruck ist – auch durch die Nestroy-Preisträger vom Theater Hausruck und Stücke wie „hunt“ – in den letzten Jahren verstärkt ins Zentrum österreichischer Vergangenheitsbewältigung gerückt. Gesetz der Serie?

Cajetan Jacob: Zumindest gibt es in manchen Regionen im Hausruck eine besondere historische Häufung solcher Geschichten. Vielleicht liegt es an dieser zerklüfteten Landschaft, dass man Erfahrungen nur aus dem unmittelbaren Umkreis geschöpft hat. Da ist auch viel Aberglaube dabei. Hier wurde ja erst vor ein paar Jahren dem Pfarrer Friedl eine tote Katze vor die Haustür gelegt. Das ist schon wieder pöschlianisch. Das passt schon wieder genau in diese Richtung.

OÖN: Sie nutzen für die Produktion vorwiegend lokale/regionale Strukturen. Wie hat sich das bewährt?

Cajetan Jacob: Bis auf wenige Ausnahmen wunderbar. Wir haben im Kernstockhaus drehen dürfen, in Schloss Wolfsegg, im Mondseer Rauchhaus. Das sind schon tolle Strukturen. Die Statisten sind begeistert und machen gut mit. Wobei es mir ja nicht nur um die Heimatgeschichte geht. Es ist mir wichtig, dass die Menschen beim Filmfestival in New York City oder in Peking, in Tokio diese Handlung auch verstehen. Ich mache meine Filme so, dass sie auf der ganzen Welt kapiert werden. Ich transportiere nicht ein Heimatbild, sondern eine Geisteswelt. Ein Sittenbild einer Zeit, die uns alle angeht.

OÖN: Ein Aspekt des Films ist Homosexualität. Die bei den Pöschlianern „verbotene Liebe“ zweier Frauen...

Cajetan Jacob: Das ist ein fiktiver Handlungsstrang. Als Künstler muss ich die Geschichte ja auch interpretieren. Ich würde diese Thematik nicht auf die Sexualität runterspielen. Ich wollte ja keinen lesbischen Liebesfilm machen. Da geht es auch um das L(i)eben über Standesgrenzen hinaus, um die Beziehung zur Religion, darum, dass man etwas verbergen muss.

OÖN: Um die eigentlich völlige Normalität einer gleichgeschlechtlichen Beziehung, aber in einer unnormalen Umgebung?

Cajetan Jacob: Ganz genau. Das ist es. Für mich war dieser moderne Bezugspunkt wichtig. Trotz aller sexuellen Revolution muss man sich noch immer dafür verantworten. Ich hatte deswegen Probleme bei der Drehortfindung und bei manchen Statisten, wo dann eine Mutter erklärt hat, dass ihre Tochter nicht sehen muss, wenn sich zwei Frauen küssen. Das gibt’s alles noch.

OÖN: Was bedeutet für Sie Erfolg?

Cajetan Jacob: Dazu gibt’s eine ganz konkrete Situation: Beim Vorgängerfilm „Hurenkarussell“ hat mich ein altes Muatterl angesprochen, das hat sich den Film sogar zweimal angeschaut. Da sag ich „Wow!!!“.

Hintergrund zu Film und Inhalt: www.gruppefilmkunst.com

 

 

Zur Person
Cajetan Jacob, geb. 1978, Schörfling. Autodidaktischer Filmemacher. Ab 1998 Zusammenarbeit mit Produzentin Bettina Hutterer, GRUPPE:filmkunst. Filme: „Die Wirtin nach Dostojewski“ (2002); „Die Stimme“ (2005); „Hurenkarussell“ (2008). Weltweite Festivalteilnahme.
 

Stichwort: Pöschlianer

Der Priester: Thomas Pöschl wurde zu Beginn des 19. Jahrhunderts wegen zu fanatischen Auftretens von Braunau nach Ampflwang strafversetzt. Als Kooperator sollte er dort einfache Gemeindearbeit leisten. Stattdessen gründete er mit der „Gesichter“-Seherin Magdalena Sickinger eine Sekte. Primäre Ziele: Reinigung der sündhaften Bevölkerung, Bußaufgaben und die Vernichtung der Ungläubigen. Pöschl wurde nach Salzburg und dann nach Wien versetzt, für geisteskrank erklärt, inhaftiert. Die Verbindung zu seinen Anhängern riss dadurch jedoch nicht ab.

 
1817: In diesem Krisenjahr kündigten Pöschlianer unter Führung des Ottnanger Bauern Johann Haas („Schmidtofferl“) den Weltuntergang an, führten Teufelsaustreibungen durch. Übergab sich ein Gefolterter nach Schlägen in die Magengrube, war ihm „der Teufel aus dem Leib herausgesprungen“.
Einer der extremsten Pöschlianer war der Gemeinderichter Josef Haas aus Vorderschlagen, der im Zuge einer brutalen Reinigungszeremonie, an der die Mehrzahl der Ortsbewohner betend teilnahm, seine Nichte regelrecht hinschlachtete.
Die Sekte musste von der Nationalgarde gewaltsam niedergeschlagen werden.
 
Absurd: Noch vor wenigen Jahren wurden die Spieler der Ampflwanger Fußballmannschaft von gegnerischen Anhängern mit „Pöschlana“-Zurufen beschimpft. Auf Nachfrage wussten die Schmährufer über Herkunft und Bedeutung des Wortes „Pöschlana“ jedoch keine Antwort.
 
 
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2  Kommentare
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jago (57.723 Kommentare)
am 02.05.2012 23:38

Verständnis gehabt für die damaligen Menschen oder ist sein Verständnis nur dem "ambitionierten" Artikel zum Opfer gefallen?

Einige wörtliche Zitate deuten drauf hin, dass Einvernehmen bestand.

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phönix77 (4.968 Kommentare)
am 02.05.2012 08:42

gab es schon immer und wird es immer geben, solange die dummheit über die intelligenz zu siegen vermag, die dunklen zeiten der vergangenheit sollten uns mahnung für die gegenwart und zukunft sein, jeder film und dokumentation, die daran erinnert und dagegen die faust (metaphorisch) erhebt, ist wichtig und der dummheit abträglich u. fördert den lernprozess zur sozialen intelligenz, bei menschverachtenden fanatismus ist die toleranzgrenze außer kraft gesetzt, lg. at

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