So gierig nach dem Leben
Theater-Kritik: Die Tribüne Linz setzt mit dem Jugendtheaterstück "Anne" ein Glanzlicht.
Die Theaterenthusiasten der Linzer Tribüne haben beschränkte räumliche Möglichkeiten. Inhaltlich gelingt es aber immer wieder, mit liebevollen, idealistischen Ideen Glanzlichter zu setzen. Die aktuelle Jugendproduktion "Anne" ist ein solches. Cornelia Metschitzer hat das Tagebuch der Anne Frank frei von zusätzlichem Pathos dramatisiert und mit einem Darstellertrio auf der gewohnt spartanischen Bühne so umgesetzt, dass daraus ein bewegendes Stück Theater geworden ist.
Der beste Gradmesser dieser – bei allem inhaltlichen Wahnsinn – schönen Produktion war das Premierenpublikum. Ein mit pubertierenden Schülern prall gefülltes Haus mehr als 90 Minuten lang ohne Pause mit einem Theaterstück zu fesseln, ist ein Kunststück. Gestern ist es gelungen. Einzig der schöne, sehr natürliche (Theater-)Kuss zwischen Anne und ihrem Schicksalsgenossen Peter hat Getuschel und Lachen ausgelöst – was nachvollziehbar ist.
Für das junge Publikum ist das Schicksal des Mädchens, das sich mit ihrer Familie über Jahre in einem Amsterdamer Hinterhaus vor den Nazis versteckt hielt und nach ihrer Entdeckung im KZ Bergen-Belsen im Februar 1945 umgekommen ist, bester Zeitgeschichte-Unterricht.
Die drei Darsteller mutieren dabei immer wieder, was die Personen betrifft – und, um die Handlung voranzutreiben – zu Erzählern. Rudi Mühllehner begleitet die Szenerie gekonnt auf der Gitarre.
Das Stück steht und fällt mit der Person der lebensgierigen Anne. Diese ist mit Kristin Henkel perfekt besetzt. Egal ob kindlich naiv oder schwer pubertierend, Henkel ist immer Anne. Ihre beiden Kollegen verblassen dagegen ein wenig.
Hinterlegt werden einige Szenen mit projizierten Bildern der echten Anne Frank und ihren Leidensgenossen im Versteck. Besonders berührend ist die Szene, in der Anne und Peter von einem Leben in Freiheit träumen – im Kino, bei einer Grachtenfahrt, beim Eisessen. Anne Frank schrieb einmal in ihr Tagebuch, das sie Kitty nannte: "Ich will nicht umsonst gelebt haben." Mit ihrer Umsetzung des Themas hat die Tribüne Linz einen kleinen, aber bemerkenswerten Beitrag dazu geleistet.
"Anne": Jugendstück, Tribüne Linz. Premiere 19. 10. Karten: Tel. 0699/11399844
OÖN Bewertung: