So einfach, so pathetisch, so schön
Rührende Theater-Premiere von "Wie im Himmel" in der Kulturfabrik Helfenberg.
Es ist eine hermetische Welt, in die der weltberühmte Dirigent Daniel Daréus da einbricht. Unerkannt kehrt er nach einem Herzinfarkt zurück in das schwedische Dorf Ljusåker. Dort hat er seine Kindheit verbracht. Vom Kunstbetrieb aufgerieben, sehnt er sich nach Ruhe. In der Musik wähnt er sich gescheitert. Kritikern beschrieben sein Dirigat zwar als göttlich, "aber ich habe nie jemanden im Publikum weinen gesehen".
"Wie im Himmel", der 2005 oscarnominierte Film von Kay Pollak, ist die Grundlage des so einfachen, so pathetischen, so schönen Sommertheaters der Kulturfabrik Helfenberg in der Regie von Brigitta Waschnig. Bei der Premiere am Mittwoch donnerte das Publikum dem Team den Applaus im Stehen entgegen.
Daréus sträubt sich, nimmt das Angebot aber doch an, den Kirchenchor von Ljusåker musikalisch aufzumöbeln, den bisher die engagierte Siv (intrigant: Nicola Gerbl) geleitet hat. Oliver Huether stellt mit großer Kraft einen sich selbst befragenden, sozial inkompatiblen Dirigenten auf die Bühne, der nur zu tiefen Emotionen im Stande zu sein scheint, sofern er dem Heilsversprechen der Musik auf der Spur ist.
Musik sei entweder ein Ausdruck von Liebe oder ein Flehen nach Liebe – mit dieser Formel will Daréus die verschlossenen Seelen der Dorfbewohner knacken. Das Singen in der Gruppe gerät zu einem Selbsterfahrungstrip, an dessen Ende die Verwundungen aller ans Licht kommen. Es geht um Eifersucht, Angst, Feigheit, Macht, Ohnmacht, Neid und die daraus resultierenden Erschütterungen.
Wer mag, kann den Abend als modernes Jesus-Drama deuten und wird damit womöglich glücklich werden, denn in Helfenberg wird der prinzipielle Sündenbegriff der Kirche zu Fall gebracht. Unter anderem, wenn Pfarrer Stig, den John F. Kutil fein als rigiden Heuchler mit spätem Erweckungserlebnis spielt, seiner Frau Inger (wunderbar vielschichtig: Stephanie Schreiter) untersagt, weiterhin die Lebensfreude im Chor zu feiern.
Daniel (Oliver Huether/r.) mit Lisa (Julia Frisch)
Kontur der Unsichtbaren
Angela Waidmann ist famos darin, aus der so gut wie unsichtbaren und von ihrem Mann (eindringlich böse: Michael Joachim Heiss) gedemütigten Gabriella eine selbstbestimmte Frau mit Kontur wachsen zu lassen. Peter-Andreas Landerl weidet humorvoll in der Rolle des geschäftstüchtigen Arne, der den Chor nach dem ersten ausverkauften Konzert für einen Wettbewerb in Wien anmeldet. Julia Frisch ist der Bühnen-Sonnenschein – als Lisa verdreht sie Daréus den Kopf, kümmert sich rührend um den behinderten Tore (Bravo: Markus Weitschacher) und verzweifelt vor der Gemeinde ob der Schmerzen ihrer ersten großen Liebe. Ingrid Höller ist die gute, alte Seele des Chors, die von der rührend späten Liebeserklärung Eriks (herzig linkisch: Dieter Kölbl) verzaubert wird. Dominik Revertera rächt sich nachspürbar erschüttert als einst verhöhnter Fettwanst.
Es wird mitunter zu dick aufgetragen – trotzdem: An diesem Abend stimmt fast alles. So auch Andrés Garcias feine musikalische Balance, die in ein berührendes "Tråg mi, Wind"-Finale mündet. Mitsingen heilt.
Theater: "Wie im Himmel", Schauspiel mit Musik von Kay Pollak, Regie: Brigitta Waschnig; Kulturfabrik Helfenberg, Premiere: 27. Juli, Termine: 29.–31. Juli; 3.–7., 10.–14. August. Info/Karten: 0680/335 92 36.
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