Sexwünsche der Männer
Männer wissen, was sie wollen, sagt Sexualmediziner G. Pfau.
Können Männer Gefühle und Sex trennen, so wie dies die Figur des Christian Grey zu tun vorgibt?
Georg Pfau: Das glaube ich nicht. Das ist eine Konstruktion, die nicht stimmt. Meiner Meinung nach sind Liebe und Sexualität untrennbar.
Sind Männer einfacher gestrickte Geschöpfe als Frauen, wie im Roman behauptet wird?
Das würde ich auch so nicht sehen. Es ist nur so, dass männliche Sexualität anders funktioniert als weibliche. Aus Sicht der Frau mag es stimmen, dass Männer einfacher gestrickt sind, denn deren Emotionen spielen eine geringere Rolle.
Männer – so meint Anastasias Mutter in der Rolle der weisen Frau – sagen, was sie meinen. Stimmt das?
Ja, das glaube ich auch. Männer sind viel mehr in der Lage, ihre Sexualität selbst zu reflektieren, sie wissen genauer, was sie wollen. Fragt man einen Mann, worauf er stehe, antwortet er wie aus der Pistole geschossen, groß, klein, dick, dünn, Männer, Frauen oder auf besondere sexuelle Praktiken. Frauen – auch reife Frauen – überlegen auf diese Frage hinauf erst einmal, sagen, das hätten sie noch nicht überlegt oder das sei sehr situationsabhängig. Man muss klar sagen, dass Männer eher in der Lage sind, ihre sexuellen Wünsche zu artikulieren.
Im Roman argumentiert Mr. Grey, sein übersteigertes Kontrollbedürfnis sei auf seine Kindheit zurückzuführen. Gibt’s das?
Sexuelle Neigungen, zu denen auch der Sadismus zählt, werden in der Kindheit erworben. Nach einer Hypothese von Sigmund Freud und anderen ist der Sadismus letzten Endes auf fehlende Liebe zurückzuführen. Dieses Zurückgestoßensein führt zu Rachegelüsten. Das wird wie vieles in der Pubertät sexualisiert. Der sadistische Mann rächt sich an seiner Partnerin für die von seiner Mutter nicht ausreichend dargebrachte Liebe. Die Partnerin badet also aus, was Eltern – oft gar nicht bewusst – falsch gemacht haben.
Männer zum Reden zu bringen – kann dieser uralte Topos der eigentliche Kern der Story von "Shades of Grey" sein?
Kann sein. Männer reden über Sexualität, aber untereinander und meistens völlig falsche Dinge. Da werden ja meist nur Mythen betoniert, da wird geredet aus Gründen der Selbstdarstellung und Beeindruckung der Konkurrenz. Vielleicht reden Männer mit ihren Frauen ungern oder schlecht über Sexualität. Mit mir als Therapeuten reden sie gut. Aber es gibt in der Tat ein Rededefizit von Männern mit der Partnerin.
Die große, romantische Liebe, ein Konstrukt von vorgestern?
Ärzte, Psychologen, Soziologen sind einer Meinung, dass die wichtigste Voraussetzung für Lebensglück von Männern und Frauen eine glückliche Beziehung ist. Das hat nichts mit gestriger Romantisierung von Liebe zu tun. (but)