Schostakowitsch als großartiges Opernkino

Von Michael Wruss   04.August 2017

Auch mit der zweiten Opernproduktion der Salzburger Festspiele – Dmitri Schostakowitschs "Lady Macbeth von Mzensk" – hat Intendant Markus Hinterhäuser eine großartige Wahl sowohl beim Stück als auch beim Leading-Team getroffen. Mariss Jansons – rarer Gast auf Opernbühnen – war der Star des Abends, der die progressive Musik dieser vom stalinistischen Regime 1936 verbotenen Oper mit ungemeiner Genauigkeit, notwendiger Radikalität und doch faszinierender klanglicher Opulenz mit den sensationellen Wiener Philharmonikern umsetzte. Dabei gelang es, die Partitur der Urfassung akribisch zu durchleuchten, ihre sarkastischen, regimekritischen Anklänge bewusst zu machen, die jugendliche "Frechheit" im Umgang mit Stilen und Formen zu pointieren, was beweist, dass es sich um ein Meisterwerk eines gerade einmal 26-jährigen Komponisten handelt. Eines, das ihm – nach dem Besuch Stalins und des Verrisses in der "Prawda" – beinahe das Leben gekostet hätte.

Schnelle Szenenwechsel

Bühne und Kostüme (Harald B. Thor, Tanja Hofmann) brachten Opulenz in Cinemascope ins große Festspielhaus. Eine heruntergekommene Mietskaserne für die Arbeiter des reichen Kaufmanns, aus der sich das elegante Schlafzimmer Katerina Ismailowas sowie das Kaufmannsbüro herausschoben und schnelle Szenenwechsel in filmschnittartigen Sequenzen herstellten.

Großartig auch die Regie Andreas Kriegenburgs, der fein herausarbeitete, welchen hohen gesellschaftlichen Stand die Ismailows einnahmen und wie extrem die Langeweile für eine junge Frau mit zwei reifen Männern ohne Kind und Aufgabe gewesen sein muss. Sie spürt eine Enge, die jegliches freies Atmen unmöglich macht – Atemnot ein roter Faden, der sich durch die Inszenierung zieht. Kriegenburg betont die erotische Komponente dieses Stoffes, für den sich Schostakowitsch öffentlich vor der Uraufführung 1934 entschuldigen musste, und stellt die Besessenheit Katerinas in ihrer Liebe zu Sergej in den Mittelpunkt. Eine Besessenheit, die sie zur Mörderin werden und selbst im Gefangenenlager noch verblendet meinen lässt, ihr Glück überall zu finden, wo ihr Geliebter sei. Nina Stemme begeisterte als Katerina auf allen Ebenen, grandioser ist diese Partie kaum umzusetzen. Nicht minder beeindruckend der Sergej von Brandon Jovanovich, der einen Charakter zwischen Berechnung, Geilheit und gewisser Intelligenz gestaltete. Stimmgewaltig lebte Dmitry Ulyanov als Boris Ismailow seine Macht über Firma, Sohn und Schwiegertochter aus. Maxim Paster als gefühlloser Sohn Sinowi ist ein beeindruckender Verlierer in allen Lebenslagen. Andrei Popov gestaltete die Rolle des Schäbigen mit großer Intensität, und Stanislav Trofimov begeisterte als gut mit "Weihwasser" gefüllt torkelnder Pope. Obendrein gelang Alexey Shishlyaev als Polizeichef eine feine Persiflage auf den Machtapparat. Selten erlebt man derart exakte Personenregie, die selbst für den Choristen des vorzüglich von Ernst Raffelsberger einstudierten Chors der Wiener Staatsoper ein Eigenleben vorsieht. Einzigartiges Musiktheater!

"Lady Macbeth von Mzensk", Oper von Dmitri Schostakowitsch, Großes Festspielhaus Salzburg, Premiere: 2. 8.

OÖN Bewertung: