Raumnotstand – wohin mit dem ganzen Krempel?

Von Christian Schacherreiter   14.Februar 2018

Wenn man sich einen stilistischen Raum vorstellt, der irgendwo zwischen Wolf Haas und Thomas Bernhard liegt, dann findet man dort die Sprache der Margit Schreiner: das Spiel mit dem Absurden und Paradoxen, mit dem saloppen Satzbau der Umgangssprache, die pointierte Zuspitzung, einen Humor, der schnell einmal auf die schwarze Seite kippen kann – und das alles aus dem Mund einer monologisierenden Erzählerfigur.

Diese Merkmale machen die Romane der in Linz lebenden Autorin unverwechselbar. Das gilt auch für ihr neues Buch "Kein Platz mehr". Die ausgewiesene Spezialistin für den ganz normalen Wahnsinn des Alltags bearbeitet auch diesmal wieder ein Thema, das den meisten in unserem Kulturraum vertraut ist. Die mehr oder weniger notwendigen Dinge des täglichen Gebrauchs wachsen uns über den Kopf: Kleidung, Hausrat, Bilder, Möbel, Bücher, Papiere, Werkzeuge und so weiter. Sie füllen die Regale, die Schubladen, die Kästen, so nach und nach auch Dachboden und Keller. Und alle Vorkehrungen zur Vermeidung des Krempels scheinen auf magische Weise genau das Gegenteil zu bewirken.

Die Macht der Dinge

Es wird immer enger in den eigenen vier Wänden. Diese Beobachtung macht die Erzählerin nicht nur bei sich selbst und bei Bruno, ihrem Liebsten, sondern auch bei Freunden, die ständig mit Raumnotstand kämpfen. Die Macht der Dinge über den Menschen ist aber nur das Kernthema in "Kein Platz mehr". Margit Schreiner nimmt noch vieles andere mit, das im Rechen der assoziationsfreudigen Autorin hängenbleibt: individuelle Schrullen in Paarbeziehungen; pflegebedürftige Gartenparadiese, die zur Hölle werden, wenn die Bandscheiben bockig werden; allzu arglos angegangene Pensionierungen und natürlich Glück und Leid des Schriftstellerdaseins. Das Kulturleben ist bekanntlich hart und ungerecht. Bestseller-Autoren haben große Wohnungen, brauchen aber, wie es scheint, nur wenige Dinge und genießen den leeren Raum. Autoren mit kleineren Auflagen hingegen können sich nur kleine Wohnungen leisten, haben aber viele Bücher, tausende Notizzettel, Manuskripte, Zeitschriften und Zeitungsausschnitte und drohen darin zu verschwinden, so wie Friederike Mayröcker.

Höchst amüsant erzählt Margit Schreiner von Schreibseminaren und vom fragwürdigen Glück eines eigenen Häuschens in Süditalien. Abgesehen davon, dass bei den seltenen Aufenthalten die halbe "Urlaubszeit" mit Reinigungs- und Instandhaltungsarbeiten draufgeht, wird der Mensch auch in Italien vom Kernproblem eingeholt: Wohin mit dem überflüssigen Krempel? Müllentsorgung ist bekanntlich nicht die ganz starke Seite der Süditaliener.

So vergnüglich die Lektüre von "Kein Platz mehr" auch ist, aufmerksame Leser werden die dunkleren und ernsten Zwischentöne nicht überhören, besonders auf den letzten Seiten, wo sich Margit Schreiner dem Lebensabschnitt widmet, in dem wir ohnedies alle Dinge hinter uns lassen: dem Zeitpunkt des Todes.

Margit Schreiner: "Kein Platz mehr", Roman, Schöffling & Co., 175 Seiten, 20,90 Euro.

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