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Österreich beim Song Contest: Musik, Merci und Mona Lisa

Von Martin Dunst, 14. Mai 2011, 00:04 Uhr
Österreich beim Song Contest
Österreicher beim Song Contest Bild: OÖN-Grafik

Der Song Contest ist in erster Linie ein Riesenspektakel. Das völkerverbindende Element, Protest oder politische Statements sind - wenn überhaupt vorhanden - nur Beiwerk am Rand der großen Showbühne. Wie es einem Künstler vor dem Auftritt vor einem Millionenpublikum geht, wie man den Erfolg oder das Scheitern verkraftet, ob hinter dieser europaweiten Inszenierung doch mehr als nur Show steckt und warum das Musikland Österreich mehr letzte als erste Plätze aufweist, darüber sprachen die OÖNachrichten mit Interpreten aus naher und ferner Vergangenheit.

Die Zeitreise durch die rot-weiß-roten Song-Contest-Jahrzehnte geht zurück bis in die schwarz-weißen Anfänge des Wettbewerbs. Damals gingen die Menschen zum Fernsehschauen noch zum Nachbarn, oder ins kleine Beisl am Ende der Straße.

Ferry Graf trat für Österreich 1959 in Cannes mit der Nummer „k.u.k. Calypso aus Wien“ an. Der Sänger aus Ternitz in Niederösterreich lebt seit 1965 in Finnland und wird im Dezember achtzig Jahre alt. „Ich konnte mich damals in einer Art Vorauswahl durchsetzen“, sagt der rüstige Graf im OÖN-Gespräch. Sein Lied stammt aus der Feder von Norbert Pawlicki und hat ihm überhaupt nicht gefallen. „Ein Fernsehdirektor des ORF hat sich die Nummer eingebildet, wollte unbedingt, dass darin auch gejodelt wird“. Er selbst hätte etwas Internationaleres im Stil von Frank Sinatra bevorzugt – „ich habe aber mit meinen Vorstellungen kein Gehör gefunden“.

Als Österreicher, der auf Deutsch gesungen hat, hatte man es laut Graf damals noch schwer. Der Zweite Weltkrieg hat lange Schatten geworfen, „die großen Nationen wie Frankreich oder England waren nicht gut auf uns zu sprechen, in vielen Familien in ganz Europa waren noch böse Erinnerungen wach“. So wurde Ferry Graf auch nur Neunter unter elf Teilnehmern. „Mir hat mein Antreten geschadet, ich war es nämlich gewohnt, ganz vorne zu sein und hatte zu diesem Zeitpunkt mehrere erfolgreiche Tourneen durch den deutschsprachigen Raum hinter mir“. Ein Engagement verschlug den Österreicher samt Band sechs Jahre danach nach Finnland, wo Ferry Graf heute noch lebt und bis in die 1990er-Jahre musikalisch aktiv war. Vor zehn Jahren war der Sänger zum letzten Mal in Österreich. „Da hat mich mein Jugendfreund Regisseur Karl Spiehs zu seinem Siebziger eingeladen“.

Den Song Contest 2011 verfolgt Ferry Graf kaum. „Der Bewerb interessiert mich nicht mehr, die Veranstaltung hat sich verändert“. Der Solist auf der Bühne stehe nicht mehr im Vordergrund. „Da wird getanzt, werden Raketen abgeschossen und Nebelschwaden erzeugt – wenn eine junge Frau in kurzem Rock auftritt, so dass man ihre Unterhose sieht, gibt es Applaus und ein großes Hallo“.

Sehnsucht nach der heilen Welt

Der Tiefpunkt ist für den knapp 80-jährigen Graf der finnische Siegerbeitrag aus dem Jahr 2006 gewesen. (Lordi, Anm.): „Wenn auf der Bühne Gespenster aus der Geisterbahn herumspringen, dann hat das für mein Empfinden mit Unterhaltung nichts mehr zu tun.“ Da gehe er lieber zum Lachsfischen, als den Fernseher aufzudrehen. Allerdings würde es Ferry Graf freuen, wenn Österreich wieder einmal den Grand Prix gewinnen würde. „Ich bin zwar finnischer Staatsbürger, werde aber immer auch ein Österreicher bleiben.“

Den bisher einzigen Sieg für Rot-Weiß-Rot holte Udo Jürgens bei seinem dritten Antreten 1966 mit dem Titel „Merci, Chérie“. Der Altmeister will allerdings nicht über die Vergangenheit sprechen und schweigt eisern zum Thema Song Contest.

Zu den heimischen Urgesteinen unter den Sangeskünstlern zählt auch Marianne Mendt. Sie stand vor vierzig Jahren als junges Mädchen in Dublin auf der europäischen Bühne und trällerte den Titel „Musik“. Mehr als der vorletzte Platz schaute für sie nicht heraus, dennoch ist sie gar nicht mundfaul und plaudert aus dem Nähkästchen. Mendt wurde, wie andere Interpreten vor und nach ihr, nicht richtig warm mit ihrer Nummer: „Wir haben damals drei Titel aufgenommen, ich hätte einen schwungvolleren, weniger anspruchsvollen Song bevorzugt.“ Startnummer eins sei wohl kein Vorteil gewesen.

Mendt ist aber auch bei der damaligen Gegenveranstaltung des europäischen Chanson-Wettbewerbs angetreten. „Die Intervision hat in den ehemaligen Ostblockstaaten einen ganz ähnlichen Sangeswettstreit ausgetragen, und dort sind wir im Spitzenfeld gelandet.“

Warum blickt das Musikland Österreich auf eine sehr bescheidene Song-Contest-Bilanz zurück? „Diese Veranstaltung wurde teilweise auf die leichte Schulter genommen, teils hat man schlechte Interpreten entsendet“, findet die Mendt klare Worte. Zudem sei die Punktevergabe ja auch ein Stück weit Politikum. „Es ist ein offenes Geheimnis, dass sich die Staaten im Norden und im Osten Europas gegenseitig Punkte zuschanzen.“ Doch eines hat sich laut der Schauspielerin und Sängerin nicht verändert. „Damals wie heute war und ist das Ganze eine große Show, die die Leute unterhalten soll, nicht mehr und nicht weniger.“

Den aktuellen Song Contest kann Mendt zwar nicht vor dem Fernseher verfolgen, „aber meine Tochter ist Mitglied im Begleittross von Nadine Beiler, auf diese Weise erfahre ich alles aus erster Hand“.

Stichwort Punktevergabe und gute Nachbarschaft: So sehr die europäischen Nordstaaten zusammenhalten, so sehr waren einander Österreich und Deutschland in der Vergangenheit wenig vergönnt. Der Siegerbeitrag von Udo Jürgens bekam damals von den Germanen einen glatten Nuller, umgekehrt erhielt das deutsche Siegerlied 1982 „Ein bisschen Frieden...“ nur einen Punkt aus Österreich.

Viele Punkte von vielen Seiten sammelte hingegen Hans Kreuzmayr, alias „Waterloo“, bei seinem Antreten mit Partner Robinson 1976 ein. Platz fünf mit dem Lied „My little world“ war das beste Abschneiden seit „Merci, Chérie“. „Das Lied wurde unser zweiter Hit nach ,Hollywood’, viele wollten damals daran herumbasteln, aber wir haben unser Ding durchgezogen“, sagt Waterloo. Er sei stolz darauf, sein Land würdig vertreten zu haben – „zuhause hängt noch irgendwo eine Ehrenauszeichnung des Landeshauptmannes“, erzählt der Oberösterreicher, der seit mehr als vierzig Jahren auf der Bühne steht und 30 Alben aufgenommen hat. Waterloo bezeichnet die Tirolerin Nadine Beiler als Gottes Geschenk mit toller Stimme und natürlicher Art. „Im Gegensatz zu ihr wirkt die deutsche Titelverteidigerin Lena abgehoben und so, als ob sie ihr Herz verloren hätte.“

Dass sich Österreich beim Song Contest gut präsentiert und wenn möglich kein Waterloo erlebt, hält der Barde für wichtig. „Ich bin viel im Ausland unterwegs. Österreich wird häufig nicht mehr als eigenes Land, sondern als Anhängsel von Deutschland wahrgenommen.“ Deutsche Medien seien dominant, „kaum fährt man über die Grenze, beginnen österreichische Radiosender zu rauschen, in meinem momentanen Urlaubsdomizil in Kroatien bringe ich sämtliche deutsche Privatsender, aber keinen österreichischen Kanal herein“.

Einen österreichweiten Sendeausfall hätte sich wohl auch der gebürtige Goiserer "Wilfried“ bei seinem Auftritt 1988 gewünscht. Seinem Beitrag „Lisa, Mona Lisa“ wurde mit null Punkten die Höchststrafe erteilt. „Die Waldheim-Affäre war auf ihrem Höhepunkt, als Österreicher wurde ich von allen anderen geschnitten.“ Zudem sei der Auftritt selbst schlecht gewesen, die Technik katastrophal. „Das Orchester spielte live, die Band Halb-Playback, die waren einen Halbton auseinander. Viele falsche Harmonien waren die Folge.“

Laut Wilfried funktioniere diese Veranstaltung nach Gesetzen, die außer dem deutschen Produzenten Ralph Siegel wohl niemand durchschaue. „Vor dem Bewerb ist das ganze Land ausgeflippt, haben mich viele Menschen gelobt, am Ende haben sie mich in den Erdboden gebohrt.“ Sogar ehemalige Freunde hätten ihn auf der Straße nicht mehr gegrüßt. Heute bewertet Wilfried Scheutz seinen Ausflug zum Contest als Bewusstseinserweiterung für sein weiteres künstlerisches Schaffen. Der Bewerb selbst hat sich aus Sicht des heute 60-jährigen Sängers gewandelt. „Es geht hauptsächlich um Showelemente und Mode. Musikalisch gesehen sind neunzig Prozent der Darbietungen Müll, nur zehn Prozent sind in Ordnung.“

Eine unsanfte Landung im hinteren Drittel der Wertung legte 2002 der Oberösterreicher Manuel Ortega mit „Say a word“ hin. Ihm war es allerdings zuvor in der Qualifikation gelungen, unter anderem die haushohen Favoriten „Stermann & Grissemann“ auszuschalten. „Dieser Umstand hat deren Fans so erzürnt, dass ich von der Fangemeinde des Radiosenders FM4 beschimpft worden und mit dem Tod bedroht worden bin.“

Von den Dimensionen und dem Rummel rund um den Contest in Estland ist Ortega damals überwältigt gewesen. „Ich war aber mit 20 Jahren zu jung, um meine Grenzen zu kennen, habe in den zweieinhalb Monaten von der landesinternen Ausscheidung bis zum Finale viel zu viele Termine absolviert.“ Das hat dazu geführt, dass Ortega am entscheidenden Tag bereits ausgebrannt war. „Ich bin in Estland krank geworden, Fans aus Oberösterreich haben meinen Eltern Arzneien für mich mitgegeben“, so weit die positiven Erinnerungen. Andererseits musste es der Sänger verkraften, dass bei seiner Rückkehr der ganze Hype um seine Person schlagartig abgeflaut war. „Auf dem Flughafen empfing mich meine Familie und einige wenige Fans, die Medien hatten das Interesse komplett verloren.“

Ein nochmaliges Antreten bei dem Bewerb strebt Ortega nicht an. Als Niederlage sieht er sein Abschneiden 2002 nicht. „Es ist doch schon ein Gewinn, vor Millionen Zuschauern aufzutreten.“ Den Song Contest sieht Ortega nicht nur als Show, sondern auch als Spiegel unserer Zeit. So verwundert es ihn nicht, dass aktuell keine Protestlieder oder politischen Inhalte auf dem Spielplan stehen. „Heute der Tod von Osama bin Laden, morgen ein Atomunfall, übermorgen Bürgerkrieg in Libyen – die Informationsflut ist dermaßen überwältigend, dass die Menschen Sehnsucht haben nach einem Stück heile Welt.“

Diese künstliche heile Welt wird von außen gerne belächelt, steckt man selbst mitten drinnen, sieht es wieder anders aus. Sabine Stieger aus Steyr zog 2005 mit den Global Krynern aus, um den ersten Platz für Österreich zu holen, die Gruppe qualifizierte sich allerdings nicht einmal für das Finale. „Ich hatte vor dem Antreten auch nicht die beste Meinung von dem Bewerb“, sagt Stieger. Doch es gebe so viele Fans, die Veranstaltung sei weltweit einzigartig. „Das war schon ein einmaliges Erlebnis.“ Allein die österreichische Delegation habe damals 35 Personen gezählt. „Alles in allem war das ein riesiger Menschenauflauf, jeder Tag dauerte 16 Stunden und war ausgefüllt mit Terminen.“ Am Abend wurde die Hotellobby regelmäßig zur Bühne umfunktioniert. „Wir haben mit Musikern aus Moldawien, Polen und Spanien gespielt und getanzt.“

Warum das Musikland Österreich beim Song Contest meistens nur die zweite oder dritte Geige spielt? „Dieses Musikland reicht doch höchstens bis zur Strauss-Dynastie. Es gab noch einmal eine Blütezeit im Austropop mit Fendrich, Danzer und Co, heute ist allerdings die musikalische Identität in Österreich weitgehend verlorengegangen.“

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