Ödön von Horváths "Niemand"
Wie konnte es dazu kommen, dass Ödön von Horváths (1901-1938) zorniges Stück "Niemand", dieses "Typoskript im Umfang von 95 verblichenen Seiten", erst so spät ans Licht kam?
Das Geheimnis wird sich nie lüften lassen, gesichert ist lediglich die Tatsache, dass die betrügerische Pleite der beiden Verleger Julius Salter und Fritz Wurm damit zu tun hat. Schon Kurt Tucholsky hatte empfohlen, die beiden "mit Peitschenhieben zu verjagen". Salter und Wurm seien ihren Autoren Honorare schuldig geblieben, zudem dürften in ihrem Lager etliche Texte verloren gegangen sein. Angeblich auch jener von "Niemand", der erst Mitte der 90er-Jahre in einem Auktionshaus in Pforzheim auftauchte, nachdem Ödön von Horvaths um zwei Jahre jüngerer Bruder Lajos (1903-1968) in der 1980 erschienenen Horvath-Biografie "Kind seiner Zeit" (Traugott Krischke) zitiert worden war, dass er sich an das in expressionistischer Manier geschriebene Stück erinnere.
Danach verschwand es erneut bei einem privaten Sammler, der die Seiten im blauen Umschlag im März 2015 bei Stargardt in Berlin erneut zur Versteigerung brachte. Schätzpreis: 8000 Euro. Die Wienbibliothek schlug bei einem Preis von 11.000 Euro zu, am 22. September 2015 war das Typoskript im Wiener Rathaus für kurze Zeit zu sehen. Am 1. September 2016 wurde das Werk im Theater in der Josefstadt, einer der renommiertesten Horváth-Bühnen, in der Regie von Josefstadt-Chef Herbert Föttinger uraufgeführt.