"Nur ja keine politische Entscheidung"
Neun Kandidaten rittern um den Chefposten im Linzer Kunstmuseum Lentos.
Das Brucknerhaus hat mit Dietmar Kerschbaum (46) seinen neuen Chef. Im Kunstmuseum Lentos fällt die Entscheidung über die künstlerische Leitung am 17. März – die OÖN berichteten. Neun Kandidaten der 37 Bewerber wurden zu den Hearings eingeladen.
Linz und sein 2003 eröffnetes Kunstmuseum: Das war über viele Jahre keine Liebesbeziehung. Und als es so aussah, dass da spät, aber doch etwas zusammenwächst, verabschiedete sich Lentos-Chefin Stella Rollig ins Wiener Belvedere. Was hat die neue Lentos-Führung nun zu tun, um am Donauufer die erfolgreiche Grätsche zwischen künstlerischem Anspruch und Publikumswirksamkeit zu turnen?
Wie im Fußball
Martin Hochleitner, der ehemalige Leiter der Linzer Landesgalerie und nun Direktor des Salzburg Museums, hat sich für den Lentos-Job nicht beworben. Er verhandelt aktuell die Verlängerung seines im August auslaufenden Vertrags. Bei seinen Erwartungen an die Lentos-Leitung bleibt Hochleitner bei einer Sport-Metapher: "Auch ein Fußballverein muss vorher wissen, welcher Trainer oder welcher Stürmer zur Klubphilosophie und zur Spielkultur der Mannschaft passt. Mit der Besetzung der Lentos-Führung alleine ist es nicht getan. Sie ist nur Teil eines kulturpolitischen Prozesses."
Martin Hochleitner, Chef des Salzburg Museums
Die Vergangenheit möge sich demnach nicht wiederholen: Rollig hatte ihre kuratorische Linie nie verhehlt, und dennoch zettelte die Stadt Linz über ihre Programmierung eine mediale Diskussion an.
Maren Richter, Linzer Kunstexpertin und Kuratorin der europäischen Kulturhauptstadt Malta 2018, stößt im OÖN-Gespräch die Neuauflage der in den 90er-Jahren eingeschlafenen Debatte an, Museen neu zu denken: "Ein Museum darf nicht bloß ein Zentrum für zeitgenössische Kunst sein. Und es muss mehr sein als ein Container von Vergangenem."
Maren Richter, Linzer Kunst-Expertin und Kuratorin der Kulturhauptstadt Malta 2018
Die wichtigste Frage sei: Wie sind Besucher zu motivieren, einen Raum zu öffnen, sich selbst einzubringen, Diskussionen anzustoßen. Das könne damit gelingen, Kunst "wieder als Seismograf gesellschaftspolitischer Veränderungen – speziell in Zeiten aktueller Verunsicherung – zu sehen und utopisches Denken anzuregen." Stattdessen werden Museen wie eh und je bespielt: "Ausstellung, nächste Ausstellung, übernächste Ausstellung – und das alles mit sogenannten Vermittlungsprogrammen, die kaum mehr als bessere Führungen sind." Das Museum müsse ein Ort sein, an dem sich Besucher selbst wiederfinden. Warum sich Richter nicht beworben hat? "Ich hatte keine Zeit dafür."
Margund Lössl, Chefin der Galerie 422 in Gmunden wendet sich händeringend an die Stadt Linz, nur ja keine politische Entscheidung zu treffen. Sie fordert Politiker und Magistratsmitarbeiter dazu auf, der Einschätzung der Experten zu vertrauen.
Kunstuni-Rektor Reinhard Kannonier und die Museumskapazität Christa Steinle, Österreichs Kuratorin der Biennale in Venedig 2017, werden die Jury – wie berichtet – ohne Stimmrecht beraten. In der entscheidenden Kommission sitzen: Martina Steininger (Magistratsdirektorin), Brigitta Schmidsberger (Leiterin der Personalverwaltung), Julius Stieber (Kulturdirektor der Stadt Linz) und ein Experte eines Personalberatungsunternehmens.
Kunstuni: Frank Louis folgt Rainer Zendron nach
Rainer Zendron, ehemaliger Kunst-Rebell der Linzer Stadtwerkstatt und seit 17 Jahren Vize–rektor der Linzer Kunstuni, legt diese Funktion aus privaten Gründen zurück, wird aber an der Kunstuni bleiben. Frank Louis folgt dem 61-Jährigen mit 1. März als Vizerektor nach. Louis, 1966 in Hannover (D) geboren, leitet seit 2006 das Konzeptionen/Keramik-Institut und will die Durchlässigkeit der Uni vorantreiben. "Studierende haben ihre fachbezogenen Schwerpunkte, aber mir liegt sehr daran, dass sie in Zukunft auch Lehrveranstaltungen anderer Abteilungen besuchen", sagt Louis im Gespräch mit den OÖN. Von der neuen Lentos-Führung erwartet er ein gehaltvolles Programm, "weil dadurch gute Wechselwirkungen mit der Kunstuni möglich werden können."
In Linz beginnt's!
Die Zusammensetzung des Auswahlgremiums sagt schon viel aus: die Magistratsdirektorin, die Leiterin der Personalverwaltung, ein Experte eines Personalberatungsunternehmens und der Kulturdirektor der Stadt Linz - auf deutsch: nur einer, der von Kunst eine Ahnung hat (oder haben sollte).
Ein kommunalses Kunstmuseum ist eine knifflige Sache. Den Politiker ist die Kunst im allgemeinen völlig wurst, sie schauen nur, dass die Zuschauer-Zahlen und damit die Einnahmen passen. Was natürlich auch wichtig ist, denn der Steuerzahler gleicht ja das Defizit aus.
Wenn die Zuschauerzahlen nicht passen, wird von den Stadtpolitikern dann gnadenlos auf die Museumsdirektoren hingedroschen, es sei denn, es handelt sich um ein politisches Liebkind, das Narrenfreiheit hat.
Dass Museen oft schlecht besucht sind, hängt natürlich nicht nur von deren Direktoren und deren Ausrichtung ab, sondern auch davon, dass man viele Leute NIE in ein Museum bringt, egal, was man zeigt. Dieses sind einfach kulturfern, da nützt nichts, ausser Gratis-Eintritt mit Würstel und Bier.
Also muss man schon die Schüler für die Museen begeistern. Später ist es schwierig bis hoffnungslos. Manche Leute bringt man nur mit "Block-Bustern" ins Museum, so machen es ja auch ganz bekannte wie die Albertina oft genug...
Stimmt. Da sind wieder mal die Schulen gefordert (wenn man sich auf die Eltern verlässt, wird das nicht reichen - vor allem nicht in "bildungsfernen" Familien).
Aber Kunstunterricht ist ja meistens eines der Fächer, bei denen zuerst gespart wird. Oder die Kinder werden mit Grillparzer & Co. [entsprechende Namen für Musik und Bildende Kunst bitte selbst einsetzen] so lange gelangweilt, dass ihr natürliches Interesse an Musik, Malerei und Literatur auf Jahre hinaus gekillt wird.
Vor allem fehlt es daran, zeitgenössische Kunst zu vermitteln. Wozu das führt, merkt man fast jedes Mal, wenn über "moderne Kunst" geredet wird - nach dem Motto "das kann ich auch", "was soll denn diese Kleckserei bedeuten", "das klingt ja schrecklich".
am besten ist die frau richter -- sie hat keine zeit?
dem fuchs waren auch die trauben zu sauer.....
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aber der ruf nach fachlicher und nicht politischer entscheidung soll nicht ungehört verhallen! unter luger ist halt zweiteres zu befürchten.