Mehr Pizzaros Rache als Beschwörung der Liebe
Umstrittene Premiere von Beethovens Oper „Fidelio“: Während Nikolaus Harnoncourt, sein Concentus Musicus Wien und das Sängerensemble gefeiert wurden, gab es heftige Buhs für die erste Opernregie von Herbert Föttinger, der die Geschichte in die NS-Zeit verlegt und aus dem Staatsgefängnis ein Konzentrationslager macht, in dem Don Pizarro uneingeschränkt wütet und selbst vor Mord nicht zurückschreckt.
Doch das legt Schwerpunkte, die vom eigentlichen Thema – der unbändigen Liebe – zu sehr ablenken.
Perfekte Personenführung
Eigentlich müsste diese Oper „Pizarros Rache“ heißen und nicht „Der Triumph der ehelichen Liebe“ wie der Untertitel der 2. Fassung. Das unterstützt auch das an diktatorischer Monumentalarchitektur orientierte Bühnenbild des im Mai 2012 verstorbenen Rolf Langenfass und die an faschistische Uniformen gemahnenden Kostüme von Birgit Hutter. Nicht klar der Schluss: Die letzte Szene findet in der Gegenwart statt, in Smoking und Cocktailkleid, und Beethoven tritt persönlich als rettender „Engel“ Don Fernando auf, der die ewige Liebe beschwört. Wer feiert da die Freiheit? Die oberen Zehntausend?
Eines muss man aber Herbert Föttinger zugestehen: eine perfekte Personenführung. Das gesamte Konzept aber konnte nicht wirklich begeistern. Der musikalische Masterplan ist nicht ganz neu und erinnert an die Schubertiade 1986: Damals war Peter Schreier der lyrische Florestan, der diesmal von Michael Schade genau in der Sichtweise Harnoncourts gesungen wurde. Nicht der kraftstrotzende Heldentenor, sondern der tatsächlich die physischen Grenzen erreichende Sänger, dem man zwei Jahre Folterhaft wohl mehr abnimmt.
Michael Schade überzeugte in einer Grenzpartie, aber auch Juliane Banse, die großartig agierte und sang und dennoch das Gefühl nicht vertreiben konnte, dass auch sie hier extrem gefordert ist und manchmal die stimmliche Contenance verlor. Lars Woldt war ein perfekter Rocco, Martin Gantner überzeugte als Pizarro. Mit Anna Prohaska lag man bei der Besetzung der Marzelline absolut richtig, und Johannes Chum wusste als Jaquino zu punkten. Garry Magee war ein sanfter Beethoven/Fernando, dem sowohl der Jähzorn des Komponisten als auch die wütende Echauffiertheit des Ministers fehlte. Stimmig wie immer der Arnold Schönberg Chor.
Nikolaus Harnoncourt hat mit seiner Lesart der Partitur auch das Publikum überzeugt und seinen Concentus Musicus Wien zu absoluter Höchstleistung geführt.
„Fidelio“: Oper von Beethoven, Theater an der Wien, 17. 3.
OÖN Bewertung: