"Mathilde" – wie ein Zaren-Film Russland spaltet
Sieben Festnahmen von orthodoxen Aktivisten bei der Kino-Premiere über Zar Nikolaus II. und dessen Geliebte.
Sie haben beide verloren: Mathilde, Heldin des gleichnamigen Spielfilms, weil ihr geliebter Thronfolger am Ende nicht ihr, sondern seiner Pflicht folgt. Und Natalja Poklonskaja, die Duma-Abgeordnete, die mit allen Mitteln verhindern wollte, dass "Mathilde" in die Kinos kommt. Bei der Premiere in Sankt Petersburg am Dienstag veranstalteten zwar einige russisch-orthodoxe Aktivisten Proteste, auf dem roten Teppich landeten Fäkalien. Aber am gleichen Tag lehnte Generalstaatsanwalt Juri Tschaika es ab, eine Untersuchung gegen den Film einzuleiten, wie Poklonskaja gefordert hatte.
Tags darauf wurden in Moskau sieben orthodoxe Aktivisten festgenommen, die aus Protest religiöse Lieder sangen und Transparente in die Höhe hielten, auf denen unter anderem "Dieser Film beleidigt eine heilige Familie" stand. Orthodoxe Gläubige kritisieren vor allem die Darstellung der Affäre des Herrschers mit Mathilde.
Poklonskaja bleibt nur noch, per Facebook zu protestieren: "Offene geistige Schädlingsarbeit. Das ist, als ob Regisseur Utschitel einen Film über den Holocaust drehen soll, er diese Tragödie aber anhand von Bettszenen zeigt und im Ergebnis dem Zuschauer erklärt, es habe gar keinen Holocaust gegeben..." Mit Holocaust meint Poklonskaja die Auslöschung der Zaren-Familie.
Sie und Ballerina Mathilde Kschesinskaja (1872–1971) sind ein schräges Paar. Es trennt sie ein Jahrhundert, aber es gibt Ähnlichkeiten: Die biegsame Kschesinskaja galt als Schönheit der spätzarischen Society, auch Poklonskaja wurde während der Krimkrise 2014 zum Sexsymbol des neuimperialen Russlands, das japanische Internet jubelte die Dunkelblonde in blauer Uniform zur Manga-Heldin hoch. 2016 wurde sie in die Duma gewählt.
Kschesinskaja war einfacher gestrickt. In ihren Erinnerungen schildert sie, wie sie mit 14 Jahren einen jungen Engländer seiner Braut ausspannt, aus Koketterie. Sie hatte den Ehrgeiz, nicht nur Primaballerina zu werden, sondern auch noch einen Prinzen abzukriegen. Wenn auch nur als Geliebte.
Poklonskaja ging in der Sowjetunion in den Kindergarten, erlebte als ukrainischer Teenager die Discos der 90er, wurde Staatsanwältin und als solche in Simferopol 2011 brutal zusammengeschlagen. Beim Krim-Anschluss 2014 wechselte sie von der ukrainischen auf die russische Seite. Im Gegensatz zu Kschesinskaja hat sie im Kopf gleich mehrere Weltbilder zu sortieren: Sowjetpatriotismus, Zarentreue, Christentum...
Beide Frauen werden im Internet wie in Talkshows heftig diskutiert: Poklonskaja als fanatische Verteidigerin ihres zarischen Idols – und seiner Jungfräulichkeit bis zur Hochzeit mit einer Prinzessin aus Hessen-Darmstadt. Kschesinskaja aber als seine voreheliche Verführerin.
Mathilde trauerte über die unvermeidbare Trennung vor der Hochzeit, fand sich aber damit ab, ihren Niki nur noch aus der Ferne anzuhimmeln. Und sie tröstete sich mit gleich zwei Großfürsten, den Vettern Sergei und Andrei Romanow. Mathilde und Natalja haben jedenfalls eines gemein: Beide sind überzeugte Monarchistinnen.
Rund um den Film „Mathilde“
Natalja Poklonskaja sitzt für die Regierungspartei „Geeintes Russland“ in der Duma (russisches Parlament). Bei jeder Gelegenheit beschuldigt sie den deutschen Hauptdarsteller Lars Eidinger (Nikolaus II.), er sei ein Pornodarsteller. Die kokette Kschessinskaja wird von der Polin Michalina Olszanska gespielt. Luise Wolfram, bekannt als BKA-Spezialistin Linda Selb im Bremer „Tatort“, gibt streng die hessische Prinzessin und Zarenbraut Alix.
Zwar solidarisierten sich viele Künstler mit Regisseur Alexej Utschitel. Andere kritisierten ihn, wie der kremlnahe Regisseur Nikita Michalkow. Stardirigent Waleri Gergijew schwieg, obwohl sein Mariinski-Theater „Mathilde“ koproduziert und er die Musik eingespielt hat.
Die Zarenfamilie war 1918 von den Bolschewiken ermordet worden. Die orthodoxe Kirche in Russland sieht den Zar als Märtyrer an. Russlands Präsident Wladimir Putin rückte zuletzt traditionelle Werte wieder in den Vordergrund, um sich die Unterstützung der Kirche zu sichern. Kritiker werfen dem Kreml vor, mit zunehmender Fokussierung auf christliche Werte religiöse Fanatiker zu ermutigen.
Hauptdarsteller Eidinger (Nikolaus II.) reiste zur russischen Premiere nicht an, weil er mit Morddrohungen konfrontiert worden war. Bereits der Trailer des Films hatte landesweite Anschläge ausgelöst, unter anderem wurden die Büros von Utschitel in Sankt Petersburg mit Molotowcocktails angegriffen.
Geschichte wird uns immer so dargebracht wie es der politische Zeitgeist befiehlt
Der politische Zeitgeist erlaubt HEUTE das pharisäische Verletzen von tiefen Gefühlen unter der Vorgabe, dass die Verletzten minderwertig sind.
Was eh schon wieder ein Teufelskreis ist, der in der nächsten Generation zum nächsten pharisäischen Fingerzeigen berechtigen wird.
Die Qualitätszeitung OON hat es versäumt das Bild vom Zarenpaar zu kommentieren, sodass man das nicht weiß, ob es ein Schauspielerfoto ist, oder ob es den echten Zaren zeigt, und wenn ja, mit wem, mit der Zarin oder mit der Geliebten!
Das SW-Foto ist kein Schauspielerbild,
Zar hat sich mit Geliebter übrigens nicht abbilden lassen!