Jedermann stirbt, doch hoch soll er leben!
Umjubelte Uraufführung von Ferdinand Schmalz' "Jedermann (stirbt)" im Wiener Burgtheater.
Burgtheater-Direktorin Karin Bergmann hat gewagt, woran alle Salzburger Festspiel-Intendanten scheiterten: Sie hat einen zeitgenössischen Dramatiker beauftragt, Hugo von Hofmannsthals auf mittelalterliche Mysterienspiele zurückgehendes "Spiel vom Sterben des reichen Mannes" auf seine Haltbarkeit abzuklopfen. Und siehe da: Der steirische Bachmann-Preisträger Ferdinand Schmalz, der sich mit originellen Sujets und eigenwilliger Sprache als Dramatiker einen Namen gemacht, meistert die Herausforderung. Die freitägliche Uraufführung von "jedermann (stirbt)" am Burgtheater hinterließ einen glänzenden Eindruck.
Schmalz, dessen Volksstück "am beispiel der butter" 2016 am Linzer Theater Phönix gezeigt wurde, findet einen Weg, das Original durchscheinen zu lassen und doch eigene Akzente zu setzen. Er verschiebt den Fokus von Glaubensfragen hin zur Auseinandersetzung mit der Vergänglichkeit allen Tuns. In seiner zwischen Verstiegenheit und Direktheit oft auf schmalem Grat balancierenden Sprache, die beiläufig auch so manche Pointe mitnimmt, gönnt er den Figuren auch so manchen Monolog, in dem die Werte der heutigen Raff- und Gier-Gesellschaft verdeutlicht werden: Nicht Sinnstiftung regiert, sondern Anhäufung von Materie, die ängstlich gegen alle anderen verteidigt werden muss.
An der Inszenierung des Schweizers Stefan Bachmann, der damit nach fast sechs Jahren sein Burg-Comeback gibt, überrascht die Radikalität des Zugriffs. Er orientiert sich nicht an den von Schmalz eingebauten vordergründigen Aktualitäten, sondern versteht das Stück ganz in der Tradition der Vorbilder als allegorisches, fast abstraktes Spiel zur Verhandlung großer, ewiger Themen.
Kein Büßer, sondern ein Opfer
Jedermann ist hier kein Büßer, sondern ein Opfer. Einer, der die Sünden der Welt auf sich nehmen soll, damit die Geschäftemacherei munter weitergehen kann. Markus Hering ist kein Prasser, er ist ein von der Logik des Kapitalismus getriebener Geschäftsmann. Kurzfristig empfindet er den Flirt mit dem Tod, dem Barbara Petritsch eine beeindruckende Mischung aus Laszivität und Bodenständigkeit verleiht, als reizvolles Spiel. Am Ende steht er nach einem Totentanz nackt und bloß als sterbliche menschliche Hülle vor dem Glanz, der ihm nun nichts mehr nützt.
Der große Jubel am Ende galt nicht nur Autor, Regieteam, Komponist und Livemusiker Sven Kaiser sowie dem Hauptdarsteller, sondern dem ganzen Ensemble, zu dem auch Katharina Lorenz als Jedermanns Frau, Elisabeth Augustin als Jedermanns Mutter, Markus Meyer und Sebastian Wendelin als dicker und dünner Vetter und Mavie Hörbiger als Mammon und Gute Werke zählen. Das Wagnis ist gelungen. "jedermann (stirbt)": Hoch soll er leben! (whl)
Theater: Ferdinand Schmalz: "jedermann (stirbt)", Uraufführung am Burgtheater Wien am 23. 2. , Regie: Stefan Bachmann
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