Im modernen Wienerwald ganz ohne Walzerseligkeit
Ödön von Horvath hatte sich Kurt Weill für eine Vertonung seiner "Geschichten aus dem Wiener Wald" gewünscht. Bekommen hat er Heinz Karl Gruber.
Das macht nichts, denn der klingt mehr nach Weill als nach Walzer, Schmalz und Wienerlied, wie die Uraufführung der Oper am Mittwoch bewies.
Im Libretto von Michael Sturminger wurde die Exposition gestrichen. Statt mit der langsamen Einführung in die Geschichte, in der die süße Marianne dem alten Fleischer Oskar versprochen ist, hebt die Oper gleich an der "schönen, blauen Donau" an. Diese ist im famosen Bühnenbild (Renate Martin, Andreas Donhauser) mit Hochhaus-Skyline im kalten Heute angesiedelt. In all dieser Nüchternheit verzichtet HK Gruber in der Geschichte selbst auf traditionelle Abfolgen von Dialogen und Gesang.
Er unterlegt das Stück mit einer Musik, die aus dem Vollen schöpft, aber kaum je zur Ruhe kommt. Die von Gruber dirigierten Wiener Symphoniker sind pausenlos gefordert. Der entstehende rhythmisierte Sprechgesang, der Musik und Sprache vereint, ist zwar eindrucksvoll, verhindert aber markante Momente. Wendepunkte, wie der Skandal um Mariannes Auftritt im Nachtklub, drohen darin unterzugehen. Andererseits weicht Gruber allen Gefahren des Epigonentums und der Klischees aus – seine Musik ist wienerisch und gleichsam modern. Herausragend nützt Angelika Kirchschlager als Trafikantin Valerie die vielen Möglichkeiten der Profilierung – in Spiel und Stimme findet sie die richtige Mischung aus Vulgarität und Herzenswärme. Ilse Eerens zeigt als zarte Marianne mit sprödem Charme die Tragik der Frauen. "Oskar" Jörg Schneider gelang die Gratwanderung zwischen Mensch und Monster.
Gut möglich, dass man die "Geschichten aus dem Wiener Wald" bald nicht nur im Theater, sondern auch in der Oper häufiger findet. Das Zeug dazu hätten sie.
Festspiele Bregenz: Geschichten aus dem Wienerwald, Oper, 27. 7., 3. 8., Info: bregenzerfestspiele.at