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"Im Warten war Sargis außergewöhnlich, die meisten hätten aufgegeben"

Von Nora Bruckmüller, 26. April 2018, 17:49 Uhr

Crossing Europe: Beinahe zehn Jahre lang wartete der armenische Gewichtheber Sargis Martirosyan auf seine österreichische Staatsbürgerschaft. Ein Film fängt die starke Geschichte des EM-Medaillen-Gewinners ein, Regisseur Stefan Langthaler (30) im Interview und der Protagonist (32) über den Dreh.

Wie haben Sargis und Sie für dieses Projekt zusammengefunden? Gab es zuerst eine Freundschaft
oder  die Idee für den Film?

Stefan Langthaler: Angefangen hat es damit, dass es galt für den Abschluss meiner Ausbildung am Wiener Filmcollege einen kurzen Dokumentarfilm zu drehen. Das war 2009. Da habe ich von meinem Vater, der damals Vize-Präsident des österreichischen Gewichtheberverbands war, den Tipp bekommen, dass Sargis ein sehr interessanter, äußerst talentierter Sportler ist, aber einer, der damals schon das Problem mit der fehlenden österreichischen Staatsbürgerschaft hatte. Ich habe dann mit Sargis Kontakt aufgenommen, wobei er da noch nicht so gut Deutsch konnte. Wir haben auch etwas gedreht, wobei er armenisch gesprochen hat, und ich nicht wirklich gewusst habe, was er gesagt hat (lacht). Eine Übersetzung zusammenzubringen, war aufgrund der Kosten nicht möglich. Wir sind aber dran geblieben, sein Deutsch hat sich verbessert und es ist ein 40-minütiger Kurzfilm daraus entstanden. Dann haben wir aber den Tipp bekommen, einen Langfilm daraus zu machen.

Und das war kein Problem?

Nein, insofern nicht, weil Sargis noch immer auf die Staatsbürgerschaft gewartet hat. Da ist nichts weitergegangen. Er wurde immer nur von den Behörden vertröstet. Für mich war es aber wenig filmisch, jemanden beim Warten zu zeigen. Für mich war klar, wenn wir einen Langfilm daraus machen, dann nur, wenn er die Staatsbürgerschaft schon bekommen hat. Und das hat dann noch einmal bis ins Jahr 2014 gedauert.

Sie haben Ihn auch zur Europameisterschaft 2016 begleitet?

Ja. Wir sind mit dem Wohnwagen nach Norwegen gefahren. Man muss eben dazu sagen, dass wir ganz wenig Budget gehabt haben. Wir hatten 16.000 Euro an Förderungen, 20.000 Euro hat er im Endeffekt gekostet, was bedeutet, dass wir noch Geld hineinstecken mussten. Verdient haben wir gar nichts. Als wir dann Sargis auf Heimatbesuch nach Armenien begleitet haben, hat er dann sogar für uns Unterkunft und Essen gezahlt. Als wir in Norwegen waren, war nicht einmal klar, ob es überhaupt noch eine Förderung geben wird. Wir mussten dann dort nämlich für Fernsehrechte zahlen, was sehr überraschend war. Und ich habe nicht gewusst, ob wir uns das noch leisten können. Also solche Bedingungen waren das. Aber im Endeffekt ist zum Glück alles gut ausgegangen.

Sargis musste viel Geduld aufbringen bis er endlich seine Staatsbürgerschaft bekam. Wie ist es Ihnen dabei als Regisseur ergangen, der seinem Protagonisten ja nicht völlig gefühllos gegenüber steht?

Das war tatsächlich zwischen meinem Cutter und mir ein Thema. Wir haben am alten Material gemerkt, dass da noch ein viel positiverer Mensch war, der alles so locker genommen hat, der sehr zuversichtlich war. Wenn man sich aber das neuere Material angeschaut hat, hat man schon gemerkt, dass da etwas in ihm vorgegangen ist, auch in den Interviews, in denen er gesagt hat, wie ihn die Ungewissheit belastet hat, wenn er erzählt hat,
was für ihn sportlich möglich gewesen wäre, wenn er die Staatsbürgerschaft gehabt hätte. Das ist natürlich verständlich. Denn wenn du Rückschläge erleidest, macht das etwas mit dir. Seine Karriere wäre bestimmt anders verlaufen, wenn er damals (2004/2005, Anm.) schon seine Staatsbürgerschaft bekommen hätte. Von seiner Leistung war er damals ein Athlet, der bei einer Weltmeisterschaft Medaillen geholt hätte, er war sogar knapp am Weltrekord dran. Und er hat die Chance dazu nicht bekommen. Zwischenzeitlich hat er dann kein Geld mehr bekommen und in einem Hallenbad gearbeitet. Sargis hat schon sehr viel mitgemacht. Er hatte Gott sei Dank einen privaten Sponsor, damit er sich das Notwendigste leisten kann.

Welche Reaktionen gab es, wenn Sie seine Geschichte erzählt haben? War Verständnislosigkeit da?

Verständnislosigkeit ist schon immer wieder aufgekommen. Sargis spricht längst sehr gut Deutsch und ist gut integriert, er hat viel Kontakt mit den Linzer Sportkollegen und einen großen Freundeskreis. Und das er so super integriert ist, war bestimmt auch schon vor 2014 so (als er die Staatsbürgerschaft bekommen hat, Anm.).  Natürlich empört das die Menschen.

Und gegenteilige Stimmen?

Ich höre schon auch immer wieder die Frage, ob es gerechtfertigt sei, dass jemand aufgrund seiner sportlichen Leistung eine Staatsbürgerschaft bekomme? Aber Asyl hat Sargis nicht bekommen, was natürlich auch gerechtfertigt war, weil es kein Asylgrund ist, wenn man in seinem Heimatland nicht  seinen Sport betreiben kann, wie man ihn will. Er ist ja nicht vor Krieg geflüchtet.

Das kann jeder nachvollziehen.

Ja. Aber es ist natürlich eine Grundsatzfrage. Da ist jemand, der etwas von Herzen gern macht, und das sehr gut, wird aber daran gehindert. Er möchte aber die Chance suchen, weil er darin seine Bestimmung, seinen Lebensweg sieht.

Dazu kommt eine andere Frage, die immer wieder kritisch an das System gestellt wird: Wie lange ist das Warten – sei es auf einen positiven Bescheid oder eine Zusage – einem Menschen zuzumuten?

Im Warten ist Sargis bestimmt außergewöhnlich gewesen. Die meisten Menschen hätten aufgegeben. Als Gewichtheber musst du ja wirklich dran bleiben und  trainieren. Sonst ist es vorbei. Das ist extrem bewundernswert und deshalb ist es seine Geschichte wert, erzählt zu werden.

Der Wiener Regisseur Stefan Langthaler
Bild: privat


Stefan Langthaler

 

 

******

 

 

Wie Sargis Martirosyan den Filmdreh erlebt hat: "Ich habe Stefan vertraut und er mir"

Ein Sportfilm beim "Crossing Europe"? Auf den ersten Blick eine überraschende Kombination. Doch das noch bis 30. April laufende Linzer Festival für das exzentrische Cinephile ist genau dafür bekannt, das Außergewöhnliche zu suchen. Und darin das Menschliche zu finden.

Der Film "Sargis – Das Leben ist so eine Sache", realisiert vom Wiener Stefan Langthaler, über den Linzer Gewichtheber Sargis Martirosyan erfüllt genau diese Mission.

2005 hatte der armenische Juniorenstaatsmeister im Gewichtheben um Asyl in Österreich angesucht, in seiner Heimat waren ihm Antritte bei internationalen Turnieren verwehrt worden. Fast zehn Jahre später, 2014, erhielt er die österreichische Staatsbürgerschaft.

Seit 2010 war Langthaler mit der Kamera dabei. Eingefangen hat er eine bewegende Geschichte eines heute 32-jährigen Mannes, der Geduld und Disziplin als Sportler wie als Mensch aufgebracht hat, so lange zu warten, bis die bürokratische Grenze zur Staatsbürgerschaft gebröckelt ist.

"Stefan hat mir vertraut und ich ihm. Er hat viel investiert, Zeit und Geld, weil er mein Talent kannte. Er war fast sieben Jahre lang dabei, bis ich mein Ziel, eine Medaille für Österreich zu gewinnen, erreicht hatte", sagt Martirosyan. 2016 holte er bei der EM Bronze, die erste Medaille für Österreich seit 1982. Der Sportler, der mit zehn Jahren wusste, dass Gewichtheben seins ist, hätte nie gedacht, dass ihn Langthaler so lange begleiten würde. "Alle wichtigen Politiker, Männer mit Krawatte, haben mir früher gesagt: Wir machen das. Und nichts ist passiert. Aber ich habe das ernst genommen." Die Hoffnung blieb.

"Ich habe seit 20 Jahren nie einen Schritt ohne Hantel gemacht. Ich bin eben ein Fanatiker", sagt Martirosyan und lacht. Sein Erfolg gibt dem Silbermedaillen-Gewinner der EM 2017 recht. Am Sonntag (13 Uhr) zeigen er und Langthaler den Film beim "Crossing Europe". Martirosyan: "Ihn zu sehen ist ein bisserl komisch. Für andere ist es ein Film, für mich aber mein Leben."

Screening: 29. April, 13 Uhr, Ursulinensaal

www.crossingeurope.at

 

 

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