Gottfried von Einem: Querdenker und Traditionalist
Morgen wäre der bedeutende Komponist Gottfried von Einem 100 Jahre alt geworden
Mit einem Schlag war er weltberühmt, im Alter von 29 Jahren: Am 6. August 1947 wurde bei den Salzburger Festspielen Gottfried von Einems erste Oper "Dantons Tod" nach dem gleichnamigen Drama von Georg Büchner aufgeführt. Der Sohn aus konservativ-monarchistischem Hause – sein Vater William von Einem war österreichischer Militärattaché und General, seine Mutter Gerta-Luise die Tochter des preußischen Generalleutnants Hermann Rieß von Scheurnschloß – soll schon als Sechsjähriger gewusst haben, dass er Komponist werden wollte. "Die Eltern waren nie da, aber in den raren Momenten ihrer Anwesenheit gingen bei uns die Dirigenten Furtwängler und Toscanini ein und aus", sagte Von Einem. Sein Vater war obendrein indirekter Wegbereiter der Oktoberrevolution: 1917 organisierte er die Überstellung der Zürcher Emigranten Lenin und Trotzki.
Mit 20 Kapellmeister in Berlin
Gottfried von Einem kam am 24. Jänner 1918 in Bern als zweiter von drei Söhnen zur Welt. Bald übersiedelte die Familie nach Schleswig-Holstein, wo er das Gymnasium besuchte. Bei Paul Hindemith in Berlin studierte er Komposition, aber weil Hindemith wegen der aufkommenden politischen Aggression 1938 ins Exil in die Schweiz (später in die USA) ging, wurde Von Einem mit 20 Kapellmeister der Berliner Staatsoper. Nach ersten Erfolgen verursachten die Jazz-Improvisationen am Ende seines von Herbert von Karajan mit der Berliner Staatskapelle aufgeführten Concerto kulturpolitischen Wirbel, dem Von Einem durch die Berufung an die Wiener Staatsoper zunächst entkam. Vor einer weiteren Untersuchung durch die Gestapo versteckte er sich 1945 in Ramsau.
1948 kam sein Sohn Caspar (späterer Innen-, Verkehrs- und Wissenschaftsminister für die SPÖ) aus der 1946 geschlossenen Ehe mit Lianne von Bismarck (sie starb 1962) zur Welt. Als Mitglied des Direktoriums der Salzburger Festspiele war Von Einem mit der Profilschärfung der Institution beauftragt. Allerdings führte sein vehementes Eintreten für Bertolt Brecht und dessen Einbürgerung dazu, dass er kündigte – eine von vielen Situationen, in denen Von Einem für seine Überzeugungen etwas riskierte.
Es folgten die Opern "Der Zerrissene" (1968), "Der Besuch der alten Dame" (1971), "Kabale und Liebe" (1976), 1974 komponierte er zur Eröffnung des Linzer Brucknerhauses "Dialog mit Bruckner" – allesamt Erfolge mit Strahlkraft, aber oft skandalträchtig. So provozierte die Oper "Jesu Hochzeit" 1980 Proteste katholischer Kreise. Dem Libretto von Lotte Ingrisch, seit 1966 seine zweite Ehefrau, wurde Blasphemie vorgeworfen. 1990 folgte "Tulifant", 1998 posthum die Premiere von "Luzifers Lächeln". Am 12. Juli 1996 starb Von Einem in Oberdürnbach (NÖ). Bis zuletzt kommentierte er mit seinem sarkastischen Humor die Zeit, in der er lebte und die seiner traditionsbewussten Musik zunehmend avantgardistische Konzepte entgegensetzte.